„Im Hintergrund brodelt es gewaltig“
Interview mit dem Vorsitzenden des BDM (Bundesverband Deutscher Milchviehhalter), Romuald Schaber
Guten Tag, Herr Schaber, die Milchbauern haben am 10. Juli in Brüssel erneut gegen sinkende Milchpreise demonstriert. Was sind die Ursachen und Hintergründe?
Ursache waren in der Tat die sinkenden Preise. Wir haben für einen freiwilligen Lieferverzicht demonstriert. Es gibt ein Konzept, dass sich die Bauern freiwillig an einem Lieferverzicht beteiligen können, gegen Entschädigung. Dieses Konzept wurde in Brüssel der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit unserer Aktion und einem überlaufenden Milchsee haben wir das unterstützt. Hintergrund ist eindeutig die Liberalisierung des Marktes. Es wird am Markt, an der Nachfrage vorbeiproduziert, mehr als in Europa verkauft werden kann.
Die Milchquoten wurde ja von Anfang an höher angesetzt als der Verbrauch war.
Genau. Das hat den Hintergrund, dass die Milchquotenregelung, die ja eine Mengenbeschränkung ist, ab 2015 auslaufen soll. Als Vorbereitung für das Auslaufen ist seit 2008 die Quote jedes Jahr um 1 Prozent erhöht worden. Diese Erhöhung erfolgt aufgrund politischer Beschlüsse, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nachfrage.
Das heißt, die haben auch in diesem Jahr die Quote um 1 Prozent erhöht, obwohl schon zu viel Milch da war!
Es ist eine Erhöhung um 5-mal 1 Prozent beschlossen worden, die teilweise von den Bauern genutzt wurde. Fakt ist, dass die produzierte Menge in Europa bei weitem nicht verkauft werden kann. Etwa 10 Prozent der Produktion hier müssen auf den Weltmarkt exportiert werden. Dort schwanken die Preise enorm. Die niedrigen Weltmarktpreise schlagen dann auf den europäischen Markt zurück.
Bei den Betrieben sieht es so aus, das momentan überhaupt keine Reserven mehr da sind. Die Kosten steigen täglich, Futtermittel, Energie, Sozialabgaben werden teurer. Viele Betriebe sind in einer völlig ausweglosen Situation, sie können einfach ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen! Es ist nach außen hin ziemlich ruhig, aber im Hintergrund brodelt es gewaltig.
Nachdem die Einzelhandelskonzerne die Molkereien heruntergehandelt hatten, bekam man im Supermarkt plötzlich die normale Milch um ca. 10 Cent billiger, während die Faire Milch gleichzeitig 10 Cent oder bei manchen Märkten sogar noch mehr verteuert wurde. Warum?
Wenn die Supermärkte ein Produkt billiger einkaufen können, setzen sie in der Regel zwei Produkte, die besonders im Blick der Verbraucher sind, im Preis herunter, das sind in diesem Fall die Trinkmilch oder H-Milch und die Butter, andere Produkte wie Quark oder Käse lässt man im Preis oben. So macht der Handel trotzdem noch gute Geschäfte.
Bei der Fairen Milch ist es so, dass wir in der Vergangenheit schon auf eine Preiserhöhung gedrängt haben. Die Bauern bekommen ja von jedem Liter 40 Cent, sodass die Kalkulation auf 89 oder 99 Cent knapp ist. Es war jetzt so gesehen ein dummer Zufall, dass das zusammengefallen ist.
Welche Schritte plant der BDM jetzt, um der Entwicklung entgegenzutreten?
Auf der europäischen Ebene ist es so, dass eine ganze Reihe von EU-Abgeordneten sagen, dass es so nicht weitergehen kann, dass sie im Markt intervenieren müssten. Wir werden genau beobachten, ob die Politik in dieser Richtung tätig wird. Macht sie nichts, müssen wir im Herbst (Oktober/November) sicherlich zu Maßnahmen greifen, z. B. einer Kundgebung in Brüssel.
Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Preise wieder von selber steigen, weil im Herbst in der Regel die Milchanlieferung von seiten der Bauern etwas zurückgeht. In diesem Fall ist es natürlich schwierig, die Milchbauern für weitere Aktionen auf der Straße zu mobilisieren. Aber das eigentliche Problem der Überproduktion wird nicht gelöst.
Sie sprechen in dem Zusammenhang ja von Bündelung der Milch. Wie muss man sich das vorstellen?
Mit der Bündelung der Milch geht es darum, dass die Bauern die Milch zusammenfassen und gemeinsam auftreten können bei den Preisverhandlungen mit den Molkereien.
Es gibt eine neue Initiative, die am 8. August der Öffentlichkeit vorgestellt wird: Deutsche, französische und belgische Milchbauern wollen künftig zusammenarbeiten. Das ist ein erster Schritt, um die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber für den Zusammenschluss geschaffen hat, auch zu nutzen. Das allein wird aber noch nicht ausreichen. Wir brauchen klare gesetzliche Regelungen, damit sich am Schluss alle Erzeuger an die Vorgaben halten müssen.
Sie hatten jetzt den Oktober genannt, da findet ja traditionell die zentrale Montagsdemonstration in Berlin statt. Wäre es nicht sinnvoll, diese gemeinsam auch für die Milchbauern zu nutzen?
Das war ja schon mal der Fall im Jahr 2009. Es kommt auf die Situation an. Sinnvoll wäre es auf jeden Fall. In wieweit es gelingt, muss man abwarten. Viele Bauern haben lange gekämpft mit zum Teil bescheidenem Erfolg. Es gab immer mal kurzfristige Zugeständnisse, die dann wieder weggenommen wurden. So kann man natürlich die Leute demotivieren. Wir müssen sehen, wie es sich entwickelt.
Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg für Ihren Kampf!