„Rolle rückwärts“ in der Energiepolitik?
Kleinlaut fällt die Bilanz der von Bundeskanzlerin Merkel nach den Massenprotesten und der Atomkatastrophe von Fukushima im letzten Frühjahr verkündeten „Energiewende“ aus.
Man sei bei „vielen Projekten im Rückstand“. Jetzt melden sich Vertreter der Atomkonzerne und Politiker von CDU und FDP zu Wort, die die „Machbarkeit“ der Umstellung auf erneuerbare Energien überhaupt in Frage stellen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle fordert den Neubau weiterer Kohle- und Gaskraftwerke. Atomkraftwerke müssten als „Brückentechnologie“ weiterlaufen. Und der neue Umweltminister Peter Altmaier (CDU) versichert, dass man „über alle Vorschläge diskutieren“ könne.
Das wirft auch ein Schlaglicht auf den Rauswurf seines Vorgängers Norbert Röttgen aus der Regierung. Der Hintergrund dafür ist nicht nur die CDU-Wahlschlappe drei Tage zuvor bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), gab unmittelbar nach den Wahlen vor, was er sich von der Berliner Regierung erwartet: „Für die CDU gilt es ernsthaft zu überdenken, mit welchen Themen und Personen sie künftig ihre Stammwähler – gerade auch in der Wirtschaft – wieder besser erreicht.“ Die FDP habe „die Wende durch eine klare Ansage für ordnungspolitische Prinzipien geschafft“. Das dürfe „in der praktischen Politik nicht verloren gehen“.
In der schwarz-gelben Koalition verschärft sich nun der Streit auch in Sachen Euro-Stabilitätspakt, Betreuungsgeld, Pkw-Maut usw. Mit massivem Druck bestehen die Energiekonzerne und der BDI als Repräsentant der in Deutschland ansässigen allein herrschenden internationalen Übermonopole auf Änderungen insbesondere in der Energie- und Umweltpolitik. Bereits im März hatte der BDI bei der Regierung angemahnt, dass hier „deutlich mehr passieren müsse“. Gemeint war damit aber nicht ein schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien, vielmehr gelte es, den „Ausbau von erneuerbaren Energien, Kraftwerken und Netzen besser miteinander (zu) verzahnen“ (Pressemitteilung BDI, 8. 3. 12).
Das Zauberwort vom „Energiemix“
Hinter Schlagworten wie „Energiemix“ und „Verzahnung“ steckt in Wirklichkeit die Forderung nach „effizienterem Einsatz der fossilen Energien (Steinkohle, Braunkohle, Erdöl, Erdgas) und die Nutzung der davon in Deutschland verfügbaren Ressourcen“. Dazu zählt der BDI auch „Kernenergie als Brückentechnologie und langfristig die Entwicklung der Fusionstechnologie“ („Eckpunkte des BDI zum geplanten Energiekonzept der Bundesregierung“). Auf der Forderungsliste des Monopolverbands stehen so zerstörerische Technologien wie Gas-Fracking, unterirdische CO2-Speicherung (CCS) und Tiefsee-Bohrungen für Erdgas und Erdöl.
Es geht den Monopolen im Kern darum:
• aus allen Energie-Arten Maximalprofit zu ziehen und
• dabei den Schwerpunkt auf die fossile Verbrennung und die Atomtechnologie im internationalen Maßstab zu setzen, aber auch bei dafür geeigneten Großtechnologien der erneuerbaren Energieerzeugung die Weltmarktführerschaft zu erkämpfen.
Ein wesentlicher Hintergrund dafür ist die sich abzeichnende Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Stefan Engel, Parteivorsitzender der MLPD, stellte dazu in seinem Interview mit der „Roten Fahne“ am 26. April fest: „Der Raubbau an der Natur nimmt vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Entwicklung eine neue Dimension an. Der Schutz der Umwelt wird wieder offener dem schärfer werdenden Konkurrenzkampf geopfert.“
Das stößt auch auf Widerspruch in der Umweltbewegung. Die Umweltorganisation „Robin Wood“ erklärte zum gemeinsamen Protest von Umweltverbänden und IG Metall anlässlich des Ostdeutschen Energieforums am 10. Mai: „Eine Energiewende, die diesen Namen auch verdient, sieht anders aus: Alle Atomanlagen müssen sofort stillgelegt werden. Wir brauchen einen Ausstieg aus der Kohleverstromung, einen sparsamen und effizienten Umgang mit Energie und eine verstärkte Förderung dezentraler, erneuerbarer Energien.“
Eine dezentrale Energieerzeugung und -versorgung steht jedoch im Widerspruch zum Interesse der großen Energiekonzerne, ihre Vorherrschaft über den Energiemarkt und die Netze zu sichern sowie ihre profitträchtigen Großanlagen zu betreiben. Dazu verlangen sie von der Bundesregierung, nicht nur national, sondern auch EU-weit die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen durchzusetzen.
Massiv fordern sie jetzt den Ausbau der Stromnetze – auf Kosten der privaten Stromkunden und Steuerzahler versteht sich. Sowohl um die Stromerzeugung aus ihren geplanten oder bereits gebauten gigantischen Offshore-Windparks, Kohle- und Gaskraftwerken abzusichern, als auch ihre über Jahre vernachlässigten maroden Netze sanieren zu lassen. Gebraucht würden diese Megatrassen überhaupt nicht bei einer dezentralen Erzeugung regenerativer Energien mit effektiven Stromspeichern.
Energiepolitik wird Merkels „Chefsache“
Unter dem Druck der Massenproteste nach der Atomkatastrophe von Fukushima/Japan musste die Regierung ihr Gesetz zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zurücknehmen und eine „Energiewende“ ausrufen. Das war allerdings von vornherein auch ein Manöver, um die breite Empörung und den aufbrandenden Protest wieder zu besänftigten. Die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen und die umfassende Ersetzung der Verbrennung fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien waren nie geplant. Dazu passte jedoch das weichgespülte Image von Ex-Umweltminister Röttgen, der in der CDU für die Richtung bestimmter Zugeständnisse an die Umweltbewegung stand. Für die jetzt von maßgeblichen Teilen des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals geforderte Rückabwicklung dieser Zugeständnisse war Röttgen nicht mehr geeignet.
Vielmehr erklärte Merkel die Energiepolitik zur Chefsache und kürte ihren als „Macher“ geltenden Vertrauten Peter Altmaier zum neuen Umweltminister. Er soll nun den umweltpolitischen „Roll back“ forciert durchsetzen. Die Defensive der Regierung in dieser Frage zeigte sich aber schon beim „Energiegipfel“ am 23. Mai: Dort wurde keine einzige konkrete Einigung erzielt, statt dessen wurden lediglich Absichtserklärungen verkündet und eine unterschiedliche Interessenslage der einzelnen Bundesländer deutlich – nicht zuletzt aus Angst vor weiteren Protesten und Streiks, unter anderem in der Solarindustrie.
Neben dem Hochspannungsnetz-Ausbau soll mit dem neuen Umweltminister auch die Kürzung der Solarförderung durchgesetzt werden. Flankiert wird dies mit einer Medienkampagne über – nie bewiesene – „100 Milliarden Euro Subventionen für Solarstrom“. Dass von der „Solarabgabe“ auf den Strom von 3,5 Cent pro Kilowattstunde jedoch viele Industriebetriebe befreit sind und dadurch diese Umlage auch weiter steigen soll, wird bewusst verschwiegen. Die Kürzung der Förderungen für Solaranlagen und der damit verbundene Einbruch des Markts trieben bereits neun vorwiegend mittlere Solarproduzenten in die Pleite und vernichteten Tausende von Arbeitsplätzen.
Vom Mythos der viel beschworenen „Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie“ bleibt im Kapitalismus nur die Unterordnung unter die Profitinteressen übrig. Von den Imperialisten und dem allein herrschenden internationalen Finanzkapital ist keinerlei grundlegende Änderung der Umweltpolitik zu erwarten. Insofern ist es auch eine gefährliche und falsche Richtung, wenn verschiedene Umweltorganisationen wie z. B. der BUND oder Greenpeace jetzt zunächst Hoffnungen in die Chefsache der Kanzlerin und den neuen Umweltminister setzen.
Kampf gegen die Profitwirtschaft notwendig
Die Erfahrung nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat gezeigt, dass der aktive Widerstand der breiten Massen der einzig erfolgversprechende Weg zur Durchsetzung von Sofortmaßnahmen ist. Mit der jetzt beabsichtigten „Rolle rückwärts“ der Regierung ist die Umweltbewegung gewarnt und muss sich auch auf härtere Kämpfe einstellen. Dies muss entschieden abgelehnt und die erkämpften Zugeständnisse müssen verteidigt werden.
Darüber hinaus brauchen wir klare Perspektiven. Notwendig ist der Kampf für Sofortmaßnahmen, wie sie im Klimaschutzprogramm der MLPD benannt werden. Dazu gehört unter anderem eine drastische Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen um 70 bis 90 Prozent bis 2030 (mehr zum Klimaschutzprogramm der MLPD auf S. 12).
Eine Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft durch die Verwirklichung einer umfassenden Kreislaufwirtschaft kann es erst nach der Abschaffung der kapitalistischen Profitwirtschaft und mit dem Aufbau vereinigter sozialistischer Staaten der Welt geben. Sie verwirklichen eine Produktion und Konsumtion in grundlegender Einheit von Mensch und Natur. Für diese Ziele und diesen Weg steht die MLPD und ihr Jugendverband REBELL.
Als Mitglied der Weltorganisation ICOR (Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen) leisten sie auch einen aktiven Beitrag im Aufbau einer notwendigen internationalen Widerstandsfront zum Schutz der natürlichen Umwelt. Wer diese perspektivische und revolutionäre Richtung im Umweltkampf stärken will, der ist in der MLPD und im REBELL bestens aufgehoben!