Metalltarifrunde: Was beinhalten die Verhandlungsergebnisse wirklich?
Die Vertreter der IG Metall und des Unternehmerverbands Gesamtmetall im Bezirk Baden-Württemberg haben ein Ergebnis vorgelegt, das sie allen Bezirken zur Übernahme empfehlen wollen. In Baden-Württemberg wird die Große Tarifkommission am 6. Juni darüber abstimmen. Bei der Lohnhöhe mussten die Metallkapitalisten Zugeständnisse machen. Bei den zu Beginn der Tarifrunde von Gesamtmetall zum Tabu erklärten Forderungen nach Übernahme der Auszubildenden und zur Leiharbeit musste der Unternehmerverband zugestehen, dass es dazu erstmals Regelungen im Tarifvertrag geben wird. Entgegen dem in bürgerlichen Medienberichten erweckten Eindruck konnten die eigentlichen Forderungen nicht durchgesetzt werden, so dass die Unternehmervertreter hinter vorgehaltener Hand schon frohlockten.
1. Die Löhne und Gehälter sollen vom 1. 5. 2012 an bis zum 30. 4. 2013 um 4,3 Prozent erhöht werden.
Der alte Tarifvertrag läuft am 30. März aus. Der neue beginnt ab 1. Mai. Auf 12 Monate umgerechnet sind dies etwas mehr als 3,9 Prozent. Das liegt damit um Einiges über den 2012 bisher abgeschlossenen Tarifverträgen. Es kommt sicher den Erwartungen vieler Kolleginnen und Kollegen auf „kräftige Lohnerhöhungen“ entgegen, ist aber kein Ausgleich für die Verluste der vergangenen Jahre und die kommenden Preissteigerungen.
2. Mit der zumindest formellen Zusage einer unbefristeten Übernahme aller Auszubildenden, die nach dem 31. 12. 2012 ihre Prüfung bestehen, musste Gesamtmetall sein Tabu in dieser Frage aufgeben und auf die gewachsene Kampfeinheit von Jung und Alt reagieren.
Von einer unbefristeten Übernahme aller Auszubildenden kann jedoch keine Rede sein. Im Einigungspapier heißt es, dass die Ausgebildeten nur „in der Regel nach bestandener Abschlussprüfung unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden sollen“. Wie viele Azubis tatsächlich übernommen werden, ergibt sich aus einer Ermittlung des „voraussichtlichen Bedarfs“, die von den Unternehmen vor Beginn der Ausbildung getroffen wird. Dazu soll mit dem Betriebsrat jeweils eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, zu der es im Vertragsentwurf heißt: „Die gemäß dieser Betriebsvereinbarung über Bedarf Ausgebildeten haben keinen Anspruch auf Übernahme.“ Gibt es keine Betriebsvereinbarung, soll über den „absehbaren Bedarf“ an unbefristeten Übernahmen zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat spätestens sechs Monate vor Ende der Ausbildung beraten werden. Letztlich entschieden wird das von den Betrieben aufgrund der „absehbaren künftigen wirtschaftlichen Entwicklung“, der „Auftragslage“ oder dem entgegen stehenden sogenannten „personenbedingten Gründen“. „Über Bedarf“ Ausgebildete müssen „in der Regel“ für mindestens zwölf Monate übernommen werden, wenn es keine „akuten Beschäftigungsprobleme“ gibt. Es ist jetzt schon abzusehen, dass es darum ständige Auseinandersetzungen in den Betrieben geben wird.
3. Zur Leiharbeit wurde ein Rahmentarifvertrag abgeschlossen.
Die Forderung nach gleichem Lohn für die gleiche Arbeit von Leiharbeitern und Kollegen der Stammbelegschaft vom ersten Tag an, wie er in der Stahlindustrie durchgesetzt wurde, haben die IG-Metall-Führer in dieser Tarifrunde gar nicht erst aufgestellt. Vereinbart wurde, dass Leiharbeiter nach zwei Jahren fest übernommen werden müssen. „Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen.“
Allerdings ist die Mehrheit der Leiharbeiter in der Metall- und Elektroindustrie ohnehin weniger als zwölf Monate im Entleiherbetrieb beschäftigt.
Ein Korrespondent aus Esslingen schreibt an die „Rote Fahne“: „Dass bei der Leiharbeit keine grundlegende Verbesserung erreicht wurde, verärgert viele Kollegen. Es ist relativ durchsichtig, dass eine Einstellungspflicht nach 24 Monaten nicht vorhanden ist, wenn die Unternehmer sich nur einen sachlichen Grund einfallen lassen müssen, um dies zu umgehen. Die Verärgerung über die verschärfte Ausbeutung und Unterdrückung der KollegInnen in Leiharbeit und die so geschaffene Spaltung der Belegschaften ist sehr groß. Der Tarifvertrag zur Leiharbeit mit seiner langen Laufzeit bis 2015 soll da wohl die Entwicklung von Kämpfen verhindern.“
Der Unternehmer muss mit dem Betriebsrat verhandeln, wenn dieser den Einsatz von Leiharbeit und die „Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität“ regeln will. Wurde eine Betriebsvereinbarung zur Leiharbeit geschlossen, kann das Unternehmen die Quote der Beschäftigten der Stammbelegschaft mit 40-Stunden-Verträgen von jetzt 18 Prozent um 12 Prozent auf dann 30 Prozent erhöhen!
Die Zugeständnisse von Gesamtmetall sind nur durch die hohe Kampfbereitschaft der Metallerinnen und Metaller zu erklären. Schon vor Ende der Friedenspflicht kam es vor allem auf Initiative der Basis zu ersten Warnstreiks und Demonstrationen, oft zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von Ver.di. Die 800.000 Metallerinnen und Metaller, die sich bundesweit an Warnstreiks beteiligt haben, spiegeln den Stimmungsumschwung vor allem im Industrieproletariat wider. Konzerne und die Regierung wollten einen Streik der über drei Millionen Metallerinnen und Metaller aus wirtschaftlichen, vor allem aber aus politischen Gründen verhindern.
Nun sind die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben herausgefordert, das Tarifergebnis gründlich zu beraten, über den vollen Einsatz der gewerkschaftlichen Kampfkraft zu diskutieren und den Kampf weiter zu führen.