Dieser Mann soll Bundespräsident werden?

Viele Menschen haben genug von dem Jet-Set-Geklüngel eines Christian Wulff und würden sich freuen, einen Unbestechlichen im Amt des Bundespräsidenten zu haben; einen Mann, der tatsächlich das Volk repräsentiert und dem man nicht dieses widerliche Geschacher um persönliche Vorteile zutraut, der wirklich „gradlinig“ ist, ein aufrechter Bürgerrechtler in der früheren DDR; einen Mann, der nicht in den immer mehr in die Kritik geratenen bürgerlichen Parteien verhaftet ist, überparteilich, demokratisch, integer. Mit diesem Nimbus wurde Joachim Gauck von der herrschenden Politik ausgestattet: als Präsident, der den „tiefen Graben zwischen Bürgern und Politik“ überwinden könne.

„Der Kandidat Joachim Gauck wurde und wird in den Himmel gehoben. Dort wird der Präsident Gauck nicht bleiben …“, kommentiert allerdings Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ schon am Tag seiner Nominierung ahnungsvoll. Und er hat Recht: Gauck hat eine durch und durch reaktionäre, antikommunistische und volksfeindliche Grundhaltung.
Dem Reaktionär Thilo Sarrazin bescheinigte er „Mut“ zu seinen menschenverachtenden Ausführungen über Migranten. Zur Vorratsdatenspeicherung hat er, der sich wortgewaltig gegen die Stasi wandte, keinen Widerspruch. Geheimdienstliche Bespitzelung der Partei „Die Linke“ findet er richtig – genau so wie Hartz IV. Hartz-IV-Betroffene teilt er in „engagierte“ und „erschlaffte“ ein (letzteren entzöge er gerne noch die letzten paar Euros). Die Kapitalismuskritik der „Occupy“-Bewegung findet er „unerträglich albern“, ebenso die Stuttgarter Parkschützer, denn er hat sich schon früh dafür erklärt, dass „S 21“ durchgesetzt werden solle. Und auch der Afghanistan-Krieg findet seine Unterstützung. Die Liste ließe sich fortsetzen.
In Sachen Revanchismus wird er allenfalls von der ultrareaktionären „Vertriebenen-Politikerin“ Erika Steinbach noch überboten. Erika Steinbach kam bekanntlich nicht in den Stiftungsrat des „Zentrums gegen Vertreibungen“, weil sie die Oder-Neiße-Grenze nicht anerkennt und man eine solche Repräsentantin den polnischen Nachbarn nicht zumuten kann. Joachim Gauck jedoch vertritt zwischen den Zeilen denselben  Standpunkt. „Unbeliebt machten sich die Kommunisten auch, als sie Stalins Territorialforderungen nachgaben, die Westverschiebung Polens und damit den Verlust der deutschen Ostgebiete guthießen“ – so heißt es in Gaucks Nachwort zur deutschen Ausgabe des „Schwarzbuch des Kommunismus“ (1998). Damit begibt er sich in Widerspruch zu geltendem Völkerrecht, zum Potsdamer Abkommen, das nach dem Sieg über den barbarischen Hitlerfaschismus zwischen USA, Großbritannien und der Sowjetunion einvernehmlich geschlossen wurde. Ziele des Potsdamer Abkommens waren unter anderem, dem Drang des deutschen Imperialismus nach Osten Grenzen zu setzen und zu verhindern, dass faschistische Kräfte in Deutschland wieder erstarken. Eine widerliche Verharmlosung des faschistischen Greuels ist auch seine Äußerung, dass er dagegen sei, „wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird“.
Gaucks Hauptthema ist das, was er „Freiheit“ nennt. Unter dieser Flagge hetzt er gegen den Sozialismus/Kommunis-mus. Er gehört zu den Erstunterzeichnern mehrerer antikommunistischer Erklärungen, darunter der „Entschließung des Europäischen Parlaments vom
2. April 2009 zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus“. Darin wird gefordert, die gesamte Geschichtsschreibung auf der unsäglichen Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus aufzubauen. Natürlich wird dabei auch der Unterschied zwischen Sozialismus und Verrat am Sozialismus einfach weggelassen. „Gauck ist ein Anhänger der Totalitarismusideologie, der Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus. Mit seiner Aufstellung als Kandidat bekennen sich CDU/SPD/Grüne und FDP zu dieser unerträglichen reaktionären Weltsicht“, schreibt die Soziologin Jutta Ditfurth in einer am 20. Februar verbreiteten Erklärung.
Wenig bekannt ist, dass Gauck sich bereits während der hoffnungsvollen Anfänge des sozialistischen Aufbaus in antikommunistischer Manier gegen die DDR und die Sowjetunion gewandt hatte. Später engagierte er sich – verhalten – auch gegen das bürokratisch-kapitalistisch entartete DDR-Regime, weshalb er jetzt groß als „Bürgerrechtler“ herausgestrichen wird.
Auch als Chef der Stasi-Unterlagenbehörde agierte Gauck stramm antikommunistisch. Im Fall des „Linke“-Politikers Gregor Gysi konnte sich das Landgericht Berlin „des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei der Erstellung des Gutachtens an der gebotenen Objektivität und Neutralität gefehlt hat. Es fällt auf, dass für den Beklagten sprechende Umstände entweder als unerheblich abgehandelt oder sogar zu Lasten des Beklagten gewürdigt werden.“
Es ist völlig richtig, dass „Die Linke“ sich weigert, so einen Mann zu wählen. Und auch in anderen Parteien gibt es Widersprüche dazu. In einer aktuellen Umfrage der Ostsee-Zeitung, also aus der Region, aus der er stammt, erklärten sich 64 Prozent der Leser gegen Gauck als Bundespräsidenten. Ein Mann wie Gauck, der sich derart überheblich und reaktionär gegen demokratische Bewegungen und gegen den Befreiungskampf für echten Sozialismus wendet, kann nicht Bundespräsident werden.