Faschisten und Geheimdienste: Christian Ströbele fordert Aufklärung

Interview mit Hans-Christian Ströbele, Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag

Sie haben mehrfach geäußert, dass sich nicht mehr unterscheiden lässt, ob ein V-Mann aus der faschistischen Szene wirklich als V-Mann arbeitet oder ein Rassist ist und für die NPD arbeitet. Muss man angesichts immer neuer Enthüllungen zum Beispiel über die Rolle der V-Frau Beate Zschäpe nicht davon sprechen, dass die deutschen Geheimdienste tief in den Aufbau und die Finanzierung faschistischer Terrorgruppen verwickelt sind?

Die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern dementieren bisher und bestreiten heftig, dass Frau Zschäpe jemals als V-Frau für einen Dienst gearbeitet hat. Die Aufklärungsarbeit muss ergeben, ob das stimmt oder ob doch an den immer wieder auftauchenden anderslautenden Meldungen etwas dran ist.
Aber unabhängig davon gibt es immer wieder Hinweise, dass die Geheimdienste mit der rechtsradikalen Szene verbandelt sind, weil ihre V-Leute zur Organisation und Finanzierung beitragen. Wie weit das wirklich der Fall ist, muss aufgeklärt werden. Am besten durch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.

Wie sollen aber die Geheimdienste dazu gezwungen werden, ihre Informationen wirklich offenzulegen?

Ein solcher Untersuchungsausschuss hat Verfassungsrang. Im Grundgesetz steht auch, dass er öffentlich tagt. Zeugen sind zur Aussage verpflichtet und unterliegen der Wahrheitspflicht wie bei einer Aussage vor Gericht. Falschaussagen sind strafbar. Nur in besonders begründeten Fällen kann ein solcher Untersuchungsausschuss geheim tagen. Aber auch dann werden die Ergebnisse der Befragungen im späteren Bericht des Ausschusses an den ganzen Bundestag öffentlich. Ich war in der letzten Wahlperiode Mitglied des BND-Untersuchungsausschusses. Wir haben viele Sachverhalte, die vorher geheim waren, öffentlich erörtert, wie beispielsweise, dass zwei BND-Agenten in Bagdad während des Irakkrieges 2003 Zielkoordinaten für Bombenangriffe auf Militärstellungen in Bagdad an das US-Oberkommando lieferten. Alles auch nachzulesen in unserem Bericht.

Wir fordern ein Verbot der NPD und aller faschistischer Organisationen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Meine Bedenken gegen ein NPD-Verbotsverfahren bestehen fort: Das mehrjährige Verfahren gibt der NPD unverdiente Propagandamöglichkeiten. Die Verbotsanträge können wieder scheitern und das wäre ein großes Unglück. Vor allem sind die rechtsextremen Fanatiker auch nach einem Verbot nicht weg oder im Gefängnis. Ihre rassistische Gesinnung besteht fort. Ein Teil organisiert sich neu, ein anderer geht in den Untergrund und zu Kameradschaften. Sie werden dadurch nicht ungefährlicher, sondern ganz im Gegenteil. Da habe ich nichts zurückzunehmen.
Aber wenn sich herausstellen sollte und beweisen lässt, dass die Partei oder ihre Gliederungen wie etwa der Landesverband in Thüringen als solche an Straftaten beteiligt sind oder selbst eine kriminelle Vereinigung bilden, dann geht kein Weg an einem Verbot vorbei. Denn Straftäter oder strafbare Gruppierungen schützt das Parteienprivileg nicht.   

Herzlichen Dank für das Interview!