Weltweite „Occupy“-Proteste
Auf 951 Städte in 82 Ländern weitete sich am 15. Oktober die Bewegung „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street“) ausgehend von den USA aus. Sie steht im Zusammenhang mit den Massenprotesten in Spanien vom 15. Mai „Echte Demokratie jetzt“ und mit den demokratischen Aufstandsbewegungen im ganzen Mittelmeerraum. In Deutschland waren 40.000 in 50 Städten auf den Straßen: in Berlin 10.000, in München 1.000, in Köln 1.500, in Stuttgart 1.000 bis 1.500, Düsseldorf 1.000, in Frankfurt/Main 8.000 und in Bochum 500.
Die Proteste sind Ausdruck der weltweit wachsenden Kapitalismus-Kritik, in Europa besonders gegen die nächsten „Rettungsschirme“ für die Banken auf Kosten der breiten Massen. Die Parolen der Aktionen sind vielfältig: „Ihr verzockt unsere Zukunft“, „Schärfere Regeln für Banken“, „Europäische Vermögensabgabe“, „Bessere Arbeitsperspektiven“, „Gegen die Rettung maroder Finanzinstitute und soziale Ungleichheit“.
In ihrer Mehrheit gegen das internationale Finanzkapital gerichtet, zeigen sie dabei gleichzeitig noch weitgehende Illusionen über die kapitalistischen Machtverhältnisse. So propagiert ATTAC wieder groß seine abgewirtschaftete „Tobin-Steuer“, die in Form der „Finanztransaktionssteuer“ inzwischen auch Milliardäre wie Bill Gates oder Leute wie Finanzminister Schäuble befürworten. Höhere Steuern für Kapitalisten und Großverdiener sind natürlich zu begrüßen. Aber zu vertreten, damit könnte die Spekulation eingedämmt oder gar kontrolliert werden, ist entweder völlig wirklichkeitsfremd oder betrügerisch. Aus den Maximalprofiten der Monopole werden so gigantische Mengen Kapital angehäuft, dass sie nicht mehr erneut maximalprofitbringend im Reproduktionsprozess eingesetzt werden können. Sie wandern in die Spekulation, die heute eine dominierende Rolle in der Weltwirtschaft hat – mit der Folge von immer wieder platzenden Spekulationsblasen.
Der von den bürgerlichen Medien zum „Gesicht der Bewegung“ gemachte Wolfram Siener (20) aus Frankfurt/Main vertritt, „Globalisierung“ und Kapitalismus seien nicht per se schlecht, sie seien nur „ausgeartet“. Die Zerstörungskraft, die der Kapitalismus heute in seiner weltumspannend organisierten Ausbeutung von Mensch und Natur und seinen ständigen Krisen entfaltet, ist aber nicht „ausgeartet“, sondern die gesetzmäßige Folge des kapitalistischen Zwangs zum Maximalprofit. Um diese Gesetzmäßigkeit abzuschaffen, muss der Kapitalismus weltweit beseitigt werden. Das erfordert die schrittweise Vereinheitlichung über den Gegner, die Kampfformen und vor allem die Perspektive einer befreiten sozialistischen Gesellschaft.
Die Grundausrichtung der „Occupy“-Bewegung steht dem entgehen. Hier wird die Unorganisiertheit, die individuelle Spontaneität zum Prinzip erhoben: „Wenn dich jemand fragt, wer hinter diesem Aufruf steht, weißt du, was du antworten kannst: ,Ich‘.“ Bei aller Uneinheitlichkeit der Bewegung sind diese Leitsätze einheitlich. Eine zentrale Rolle spielt „Keine Partei bei Occupy!“ Das führt dazu, dass – von Ausnahmen wie in Hamburg abgesehen – sich Vertreter von SPD, Grünen und Linkspartei medienwirksam zu der Bewegung äußern können, während die Auseinandersetzung mit der sozialistischen Perspektive der MLPD ausgeschlossen werden soll. Diese antikommunistische Ausrichtung als eine Grundlage der Bewegung macht ihre systemerhaltende Funktion deutlich.
Überhaupt fällt auf, dass sie überraschende „Freunde“ findet. Führende Vertreter des internationalen Finanzkapitals äußern zumindest „Verständnis“, so der designierte EZB-Chef Mario Draghi, ähnlich Larry Fink (USA), Chef von Blackrock, dem weltgrößten Vermögensverwalter, und neuerdings auch Bundeskanzlerin Merkel.
Ein weiterer „Freund“ ist der US-Multimilliardär George Soros. Er hatte dem „konsumkritischen“ Magazin „Adbusters“ aus Kanada über das „Tides Center“ 185.000 US-Dollar zukommen lassen. „Adbusters“ hatte Mitte Juli als erstes zu „Occupy Wall Street“ aufgerufen. Das „Tides Center“ finanziert unter anderem ökologische und andere als fortschrittlich bezeichnete Projekte, die strikt im Rahmen des Kapitalismus bleiben. Auf der gleichen Linie liegt die „offizielle“ Ausrichtung der „Occupy“-Bewegung – und soll damit den berechtigten Protest in diese Bahnen kanalisieren. Objektiv ein Gegenprogramm zur notwendigen höheren Organisiertheit der Kämpfe und der Vorbereitung der internationalen Revolution.