„Kaufen für die Müllhalde“
„Rote-Fahne“-Interview mit der Filmemacherin Cosima Dannoritzer über ihren bei Arte ausgestrahlten Film „Kaufen für die Müllhalde“
Ob Drucker, Computer, Handys oder Glühbirnen, ein früher Verschleiß ist bei vielen Produkten durch Sollbruchstellen eingeplant. Die Kunden sollen ein defektes Gerät nicht reparieren lassen. Sie sollen es wegwerfen und sich ein neues kaufen. Wirtschaftsfachleute nennen es „geplante Obsoleszens“. Der Film von Cosima Dannoritzer „Kaufen für die Müllhalde“ geht diesen Ereignissen nach und wirft einen Blick auf die Folgen der modernen Wegwerfgesellschaft. Sie sind nicht nur eine rücksichtslose Ausbeutung der Rohstoffe dieses Planeten, sondern auch eine verheerende Umweltzerstörung. Das Interview führte Julia von Oy in Barcelona durch.
Wir kaufen für die Müllhalde. Warum tun wir das? Wissen wir, dass wir sieben Stunden in der Woche für die Vergrößerung der Müllhalde arbeiten?
Ich glaube, die meisten Menschen haben den Verdacht, dass die geplante Obsoleszenz existiert. Im Internet findet man die verschiedensten Theorien und ich wollte dem nachgehen. Meine Vermutung war, dass es ein paar Firmen gibt, die besonders geldgierig waren und Produkte wie die Glühbirne mit begrenzter Lebensdauer entwarfen. Letztendlich haben wir viele solcher Beispiele gefunden. Zunehmend ersetzen wir die Sachen schneller. Die Leute merken, dass die Dinge nicht mehr so lange halten. Gerade die ältere Generation erinnert sich an den Computer, der sieben Jahre funktionierte, heute sind es noch zwei oder drei. Das betrifft auch Kleidungstücke. Für viele ist es unvorstellbar, das gleiche T-Shirt mehrere Jahre zu haben. In dem Film zeigen wir Beweise, dass die Obsoleszens besteht. Damit geht eine andere Diskussion los: Können wir es auch anders machen? Das Problem ist, dass wir Rohstoffe viel schneller verbrauchen und riesige Müllberge produzieren. Wir haben längere Arbeitsstunden, um die gleichen Sachen wieder herzustellen. Wir sind in einem Kreis gefangen. Wir produzieren die Sachen, erhalten Geld, was wir wiederum ausgeben, um die Sachen zu verbrauchen und stellen sie wieder neu her. Es geht nicht mehr um Notwendigkeiten. Die Menschen fragen sich aber, ob es nicht noch mehr im Leben gibt, als an diesem Kreislauf teilzunehmen.
Der Kunde ist nicht König, sondern der Massenkonsum ist immer mehr danach ausgerichtet die Profitrate zu steigern. Das weist du in deinem Film anhand von vielen Beispielen nach. Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?
Es gibt verschiedene Sorten von geplanter Obsoleszens. Ein Beispiel für die technische Obsoleszens ist die Glühbirne. Sie wurde so konstruiert, dass sie planmäßig kaputt geht und man logischerweise mehr Birnen kaufen muss. Das gleiche gilt für iPod-Batterien der ersten drei Modelle.
Begrenzte Lebensdauer von Glühbirnen
Die Fabrikanten hatten beschlossen, dass die Batterie nur bis zu einer bestimmten Zeit – maximal 18 Monate – halten soll und die Designer setzen dies um. Im Fall der Glühbirne wurden sogar Strafen verteilt, wenn sie länger als 1.000 Stunden leuchtete. Und dies hat geklappt. Seit den 20er Jahren halten traditionelle Glühbirnen nicht länger.
Aber es gibt auch die psychologische Obsoleszens, wo der Kunde mitmacht. Wir sind also nicht nur Opfer, sondern lassen uns auch gerne überreden, was Neues zu kaufen. Das funktioniert sehr gut mit der Elektronik, weil dort gewisse Fortschritte stattfinden. Das Design spielt auch eine große Rolle. Das Neue hat in unserer Gesellschaft den größten Wert. Ein Shirt, was es schon länger gibt, hat scheinbar keinen Wert mehr. In anderen Gesellschaften und zu anderen Zeiten ist es vielleicht genau andersrum. Dort sind alte Sachen begehrenswert.
Aber gerade da können wir auch gut ansetzen. Ich denke, wir haben die Macht dazu. Wir können entscheiden, auch nicht mitzumachen und nicht unbedacht zu kaufen. Wenn der Kunde beispielsweise nach Ersatzteilen verlangt und nicht sofort das Gerät neu kauft, dann werden sie auch auf dem Markt erscheinen. In Spanien hat man fast ein automatisches Recht einmal im Jahr auf ein neues Handy, damit man beim Anbieter bleibt. Es sind drei, vier Anbieter, die im großen Krieg miteinander stehen und das ist eine von den Waffen, die eingesetzt wird. Dass heißt, die meisten haben nach wenigen Monaten ein neues Modell, was sich kaum vom alten unterscheidet. Und dafür werden Rohstoffe sinnlos verbraucht. Dazu kommt der Stress. Man muss sich mit dem Gerät und der neuen Gebrauchsanweisung beschäftigen. Das klaut uns auch die Zeit und ist unnötig.
Drei Jahre lang hat die Recherche zu deinem Film gedauert. Lag das auch daran, dass man an den geheimen, inoffiziellen Kenntnissen nicht interessiert ist?
Wir mussten indirekt recherchieren. Oft erhält man nur die „offiziellen“ Antworten von den Anbietern wie dem Chefingenieur einer Glühbirnenfirma. Es war nötig, in vielen Archiven nachzuschauen und die Finanzierung der Dokumentation erforderte einen großen Zeitaufwand. Wir hatten drei Hauptsender und sechs kleine Sender, die unser Projekt unterstützt haben. Die Sender haben den Teil der Lösungsansätze zunächst abgelehnt. Es hieß, die Leute wollen nicht hören, was sie zu tun haben. Es hat eine Weile gedauert, bis sie dann doch zugestimmt haben. Ich finde es ganz wichtig, Lösungen aufzuzeigen. Wie und wo können wir etwas tun? Ohne uns nur als Opfer darzustellen. Wir brauchen konstruktive Vorschläge, um etwas zu verändern.
Was war die größte Hürde?
Die Finanzierung. Ein Projekt, das Dreharbeiten in verschiedenen Ländern und eine Menge Archivmaterial erfordert, kann man nicht kurz nebenher als Low-Budget-Film abdrehen. Zweitens wollten wir für jedes konkrete Beispiel konkrete und unanfechtbare Beweise zeigen. Und das braucht viel Zeit und Geduld.
Gibt es Dinge, die du nicht zeigen konntest?
Es war eher ein Zeitproblem. Wir haben mehr Beispiele gefunden als wir einarbeiten konnten. Nicht gezeigt haben wir beispielsweise, wie die Amerikaner und Franzosen die geplante Obsoleszens im Kalten Krieg als Waffe gegen die Sowjets eingesetzt haben.
Was fasziniert dich an dem Thema Umweltschutz? Warum bist du da so engagiert?
Bei mir hat es in Barcelona angefangen. Ich fand es toll, dass die Altstadt hier trotz der modernen Stadt genutzt wird und die alten Gebäude erhalten bleiben. Blickt man jedoch nachts aus dem Fenster, sieht man die Müllabfuhr, die die Straßen gründlich säubern und viele Sachen wegschaffen als ob sie nichts mehr wert sind. Die Menschen schmeißen Mengen an Müll weg und glauben, dass es im Unsichtbaren verschwindet. Wenn hier in den Straßen mal nicht sauber gemacht wird, beschweren sich alle. Sie wollen den Müll nicht sehen. Es ist etwas Spezifisches für unsere Kultur.
75 Prozent des Elektromülls verschwindet in der „Dritten Welt“
Das ist unsere Konsumgesellschaft. Es wird unglaublich viel weggeworfen, obwohl es noch eine Funktion hat. Wir denken kaum an eine sinnvolle Weiterverarbeitung. Müll ist etwas Subjektives. In jedem Land wird es anders aufgefasst. In Kuba wird man im Mülleimer keine Cola-Dose finden. Sie ist aus Metall und für die Leute ein wertvolles Material. Ich denke, dass die Menschen trotzdem noch den Instinkt haben, etwas weiterzugeben. Das Recycling-System in Barcelona funktioniert schlecht, aber neben den Mülltonnen findet man oft Gebrauchsgüter oder Kleidung, die die Nachbarn durchschauen können – eine inoffizielle Recycling-Methode.
Wir müssen dieses Problem aus allen Richtungen angehen, auch institutionell. 75 Prozent des Elektromülls verschwindet in die „Dritte Welt“, obwohl es illegal ist und wir schon beim Kauf für ein legales Recycling mitbezahlen. Es ist im Preis enthalten. Es ist oft auch eine Frage des Designs. Sind die Dinge so gebaut, dass die einzelnen Bestandteile leichter trennbar sind, ist das Recyceln auch einfacher. Die geringe Reparaturfähigkeit moderner Produkte nötigt zum Neukauf.
(wird fortgesetzt)