Der Massenmörder: Faschist, Rassist – Antikommunist!
22. Juli 2011. Gegen 17 Uhr macht ein kleines Boot auf der norwegischen Insel Utøya fest – es entsteigt ein als Polizist verkleideter, schwer bewaffneter Mann.
Anders Behring Breivik wird in den nächsten eineinhalb Stunden mindestens 76 linke Jugendliche erschießen, die auf der Insel ein Feriencamp machen. Es ist der größte politisch motivierte Massenmord an Jugendlichen in Europa seit Jahrzehnten. Keine zwei Stunden zuvor hat Breivik im Regierungsviertel von Oslo eine Autobombe gezündet – sieben Tote. In den darauffolgenden Tagen bekunden Hunderttausende in Norwegen mit Gedenkveranstaltungen und Trauermärschen ihr Entsetzen und ihre Verbundenheit mit den Opfern und Angehörigen, von überall her gehen Solidaritätsbekundungen ein.
Augenzeugenberichten zufolge massakriert der Faschist Breivik eiskalt und überlegt. Er nutzt ein Schnellfeuergewehr AG3, 600 Schuss pro Minute, offensichtlich bestückt mit Dum-Dum-Geschossen, die schwerste innere Verletzungen anrichten. Als erstes erschießt er die Camp-Leiterin und einen unbewaffneten Polizisten, die sich ihm entgegenstellen. Dann richtet er alle hin, die in ihren Zelten liegen. Viele laufen in alle Richtungen davon, verstecken sich, versuchen, 600 Meter weit durchs kalte Wasser ans Festland zu schwimmen. Breivik mordet systematisch weiter – er hat Zeit.
Wo blieb die Polizei?
Mehrere Jugendliche rufen in dem ausbrechenden Chaos eine Notrufnummer an – ihr Anruf wird abgewimmelt, da er nicht mit dem Anschlag in Oslo zusammenhänge, auf den die Polizei sich konzentrieren müsse. Um 17.27 Uhr geht dann der erste Notruf bei der Polizei ein (nach deren Angaben) – um 18.25 Uhr erst landet eine Sondereinheit der norwegischen Polizei auf der Insel und nimmt Anders Breivik fest. Eine geschlagene Stunde für die 40 Kilometer von Oslo? Örtliche Polizisten, die früher das Festland gegenüber der Insel erreichten, hätten kein geeignetes Boot gehabt, heißt es. Warum beschlagnahmten sie nicht Privatboote für diesen Einsatz? Viele offene Fragen.
Anders als die Polizei greifen mutige Camper ein, die vom Festland aus die Schießerei registriert haben: Sie greifen sich Boote, fahren raus auf den Fjord, retten zahlreiche Jugendliche, die schwimmend dem Mörder zu entkommen suchen. „Spiegel online“ zitiert einen Helfer, Martin Gleffe: „Überall im Wasser schwammen Jugendliche … Alle schrien, aber sie halfen sich gegenseitig … Es war unglaublich zu sehen, was für starke Menschen das sind.“
Linke Jugendliche im Visier der Faschisten
Das Sommercamp auf der Insel Utøya war organisiert von der Jugendorganisation der Sozialdemokratischen Partei Norwegens, AUF (Arbeidernes Ungdomsfylking). Sie versteht sich als sozialistisch, internationalistisch und antifaschistisch. Auch die Rod Ungdom, die Jugendorganisation der Partei RED (Rot), macht dort ihre Camps.
Anders Breivik war jahrelang aktives Mitglied der ultrarechten „Fremskrittspartiet“ („Fortschrittspartei“), deren Gründer in den 1930er Jahren Hitler bewunderte. Sie ist zurzeit die zweitgrößte Partei im norwegischen Parlament. Vor vier Jahren trat Breivik aus dieser Partei aus, wurde in faschistischen Internet-Foren aktiv und bereitete seine Massaker vor. Das von ihm veröffentlichte Manifest „2083 – eine europäische Unabhängigkeitserklärung“ ist auf über 1.500 Seiten ein Sammelsurium faschistischer Theorien und Handlungsanweisungen, die großteils aus solchen Internet-Blogs stammen. Danach sollen bis zum Jahr 2030 Schockattacken und Sabotageakte durch geheime Zellen verübt werden, bis 2070 dann solle der Kampf von Netzwerken und bewaffneten Milizen übernommen und bis zum Jahr 2100 die Machtübernahme durch nationalistische Regimes gesichert werden. Mit seinem brutalen Massenmord setzte er seine aggressiv-faschistischen, antikommunistischen und rassistischen Theorien über die „erste Phase“ in die Tat um.
Der Imperialismus wird zunehmend instabil, auf der ganzen Welt wird für andere Zustände, für eine lebenswerte Zukunft gekämpft. Die brutale Perspektive faschistischer Diktaturen richtet sich gegen den Kampf der internationalen Arbeiter- und revolutionären Bewegung für eine neue, sozialistische Gesellschaft. Breivik hetzt gegen den Islam, gegen den „kulturellen Marxismus“, schmückt sich deshalb auch mit dem Attribut: „Marxist Hunter“ – „Marxisten-Jäger“.
In dem Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ wird der weltanschauliche Kern des Faschismus analysiert: „Im weltanschaulichen Kern des Faschismus stehen extremer Antikommunismus und die Rechtfertigung offenen Terrors zur Liquidierung der revolutionären Arbeiterbewegung. Um der faschistischen Diktatur eine möglichst stabile Grundlage zu schaffen und seine Massenbasis zu organisieren, waren weitere weltanschauliche Rechtfertigungen erforderlich. Fester Bestandteil der faschistischen Ideologie sind deshalb immer Rassismus und Chauvinismus. Diese Ideologien sollen auf demagogische Weise Ausbeuter und Ausgebeutete, Herrschende und Beherrschte eines Landes höherwertig erscheinen lassen und die Klassenwidersprüche versöhnen, indem andere Völker, Religionen oder Nationalitäten diskriminiert, als minderwertig dargestellt werden.“ (S. 247)
Dass sich der Faschismus im Kern gegen die linke, vor allem die revolutionäre Bewegung richtet, wird durch zahlreiche Anschläge der letzten Zeit zunehmend deutlich (s. S. 7). Deshalb werden solche Strömungen auch von den Imperialisten gefördert – und systematisch verharmlost. Warum hat der norwegische Geheimdienst PST schon im März Anders Behring Breivik im Visier gehabt wegen einer Chemikalienbestellung in Polen, aber nichts unternommen, obwohl der gleiche Mann seit langem als aggressiver Faschist aktenkundig war? Warum veröffentlichte PST für das Jahr 2011 eine „Sicherheitsanalyse“, nach der keine Gefahr von rechts drohe? Der Haushalt dieses Geheimdienstes wurde seit 2005 um 40 Prozent erhöht!
Während er gegen die Faschisten offensichtlich nur oberflächlich ermittelt hat, ist Realität, dass der Antikommunismus hochgepuscht wurde. Vor einem Jahr machte das antikommunistische Kampfblatt „Dagbladet“ Hatz auf die Kommunistische Liga „Tjen Folket“ und ihre Zusammenarbeit mit „SOS Rassismus“, einer antifaschistischen Massenorganisation. Gestützt auf Aussagen des deutschen „Verfassungsschutzes“ wurde auch gegen die Beziehungen von „Tjen Folket“ mit der MLPD gehetzt (die „Rote Fahne“ 31/2010 berichtete).
Jede Menge Parallelen also zu Deutschland und seinen Geheimdiensten, die regelmäßig die faschistische Gewalt herunterreden, faschistische Organisationen mit ihren Agenten durchsetzen und gegen Revolutionäre hetzen.
Die falschen Fährten der „Experten“
Der Massenmord hat weltweit zutiefst Abscheu und Empörung erregt. Panisch versuchen die Herrschenden, seinen faschistischen und aggressiv-antikommunistischen Charakter zu vertuschen. Am Abend der Ereignisse wird über die Vorgänge auf der Insel erstmal kaum berichtet. Im Zentrum steht der Anschlag auf das Regierungsviertel. Dann treten die „Terrorismus-Experten“ der bürgerlichen Massenmedien auf den Plan. In der ersten Reihe mutmaßt Elmar Theveßen im „Heute-Journal“ des ZDF am Abend des 22. 7.: „Das könnte einerseits natürlich Islamismus sein …“ Angesichts des ganz offensichtlich blonden, blauäugigen Norwegers lässt sich diese Argumentationslinie nicht lange aufrecht erhalten.
Rasch macht dann die Mär vom „Einzeltäter“ die Runde. Ob er diese monströse Tat allein durchführte, ist noch gar nicht bekannt. Oslos Kriposprecher berichtet über mehrere Augenzeugenberichte, dass auf Utøya ein zweiter Täter gewesen sei. Vor allem aber ist Breivik die Ausgeburt eines mörderischen faschistischen Weltbildes, einer abgrundtiefen Menschenverachtung. Das sind keine „Einzelerscheinungen“ mehr. Wenn Manfred Murck, Leiter des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz, in Bezug auf die Faschisten-Szene in Deutschland behauptet: „Es sind keine Kontakte ins Umfeld von Breivik erkennbar“, dann ist das entweder vollkommen ahnungslos oder einfach verlogen. Breivik hat seine Ergüsse auch nach Deutschland geschickt, an die NPD-Zentrale in Berlin, an Dortmunder Faschisten, an „Pro Köln“ usw.
Das Konstrukt vom „Einzeltäter“ ist so unhaltbar wie das vom „Islamisten“. Bleibt die jetzt aktuelle Version vom Geistesgestörten, der womöglich schuldunfähig sei … Auch Adolf Hitler war vermutlich ein Psychopath – deshalb war er für die Krupp und Co. auch geeignet für sein grausames Verbrechensregime!
Die weltanschaulichen Drahtzieher des Massakers sind letztlich diejenigen, die – wie das Europaparlament mit seiner Resolution von 2006 zur „Notwendigkeit einer Verurteilung der Verbrechen kommunistischer totalitärer Regime“ – den Antikommunismus als Staatsreligion des Kapitalismus systematisch fördern und laufend verschärfen.
Beistand erhalten sie von einer unüberschaubaren Zahl bürgerlicher „Experten“: Die Eltern sollten jetzt ihren Kindern erklären, „warum sie gegen jeglichen Extremismus sind“, fordert z. B. „Internet-Experte“ Martin Ziegenhagen in der „Frankfurter Rundschau“ vom 27. 7. So wird das Massaker genutzt, um Stimmung gegen Revolutionäre zu machen. Die Kompetenz solcher „Experten“ besteht offensichtlich im Wesentlichen in ihrem Antikommunismus.
Faschistische Organisationen verbieten!
Die Schreckensmeldungen über den Massenmord waren gerade eingegangen, da forderte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, bereits die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (die es übrigens in Norwegen gibt!). Diese Leute haben wieder einen willkommenen Vorwand gefunden, die Faschisierung des Staatsapparats gegen die Arbeiter- und Volksbewegung voranzutreiben.
Viele in Norwegen sprechen sich jetzt dafür aus, die „offene Gesellschaft“ dort zu erhalten. Völlig zu Recht, wo es darum geht, den Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte abzuwehren. Aber für Faschisten darf es natürlich keine „offene Gesellschaft“ geben! Die Gefahr des Faschismus muss ernst genommen werden. Zunehmend frech treten Faschisten auf, vernetzen sich. Ultrarechte Parteien haben in mehreren Ländern Europas, auch in Norwegen, inzwischen Masseneinfluss.
Das Massaker von Norwegen mahnt: Schluss damit, dass Faschisten mit Steuergeldern gepäppelt werden, dass sie ihre Hetzschriften vertreiben, ihre faschistischen Konzerte geben, Demonstrationen organisieren und im Internet ihr Gift verbreiten können! Die faschistischen Organisationen und ihre Propaganda müssen sofort verboten werden!