„Ein verabscheuungswürdiges Verbrechen“ „Rote-Fahne“- Interview mit dem Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft Ver.di, Ringo Bischoff, zu den Attentaten in Norwegen

aus Rote Fahne 30/2011

RoteFahne30_11.jpgWas ist deine Einschätzung des Attentats in Norwegen vom Wochenende?

Es ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen. Die Frage ist: Hätte es verhindert werden können? Wenn ja, wie? Fakt ist, dass rein auf der Sicherheitsebene einige Sachen zu bemängeln sind, die da in Norwegen gelaufen sind. Angefangen dabei, dass alle im Urlaub sind, die einen Hubschrauber hätten fliegen können und die in der Lage gewesen wären, dort rüberzudüsen und einzugreifen.

 

Nach dem aktuellen Stand hatte der Täter einen faschistischen und antikommunistischen Hintergrund.

Man muss auf jeden Fall berücksichtigen, mit was für einer Motivation er das gemacht hat. Er mag zwar als Einzeltäter erscheinen und auch so dargestellt werden, doch darf man dabei nicht vergessen, dass er über europaweite Kontakte in die Naziszene hinein verfügt und sich dort auch abgestimmt hat. Somit mag zwar die konkrete Tat eine Einzeltäterschaft sein, aber definitiv steckt da ein Netzwerk von alten und neuen Nazis dahinter. Genau das gilt es zu berücksichtigen. Es deutet alles drauf hin, dass diese Aktivitäten vor dem Hintergrund seiner extremen Meinung, seiner antiislamischen, antikommunistischen Haltung letztendlich auch begründet sind.

Es wäre fahrlässig, irgend etwas anderes zu unterstellen bzw. etwas anderes anzunehmen, weil ja in diesem Zusammenhang jetzt auch Äußerungen von CDU/CSU gekommen sind, die das Stichwort „Vorratsdatenspeicherung“ wieder in die Debatte geworfen haben. Was, glaube ich, an dieser Stelle in keiner Art und Weise helfen würde.

 

Siehst du in solchen und ähnlichen Vorschlägen den richtigen Weg zur Vermeidung solcher Taten?

Definitiv nicht! … Auf die Realität angewandt, ist die Vorratsdatenspeicherung ein irrsinnig absurder Weg, den ich überhaupt nicht gehen möchte. Wir als Ver.di wehren uns seit langem dagegen und haben auch ganz klare Positionen dagegen eingenommen. Diese werden wir auch behalten, weil es keinen Sinn macht, auf Verdacht alles Mögliche zu speichern und dann bei Bedarf auszuwerten.

 

Was für Konsequenzen müssen nach der Tat gezogen werden?

Ich glaube, wir müssen alle sehr, sehr wachsam sein. Sehr sensibel sein. Es hat an vielen Stellen in unserer Gesellschaft einfach zugenommen, dass wir allzu häufig wegschauen.

Nach dem Motto: „Die Mitte ist total gut und total stark und die extremen Ränder müssen wir nur verdrängen.“ Vor diesem Hintergrund ist ja auch die

Extremismus-Debatte zu betrachten, die ich auch ziemlich abstrus finde. Zu glauben, dass von links die Gefahr kommen würde, die tatsächlich von rechts erscheint. Von daher: Hinschauen, Aufklären, alles was von rechts kommt, sehr genau unter Beobachtung halten, und besonders Demokratie und Mitbestimmung erlebbar machen und das durch alle Altersklassen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.