„Für geostrategisches Interesse geht die Regierung über Leichen“
„Rote-Fahne“-Interview mit Tobias Pflüger, Vorstandsmitglied der „Infomationsstelle Militarisierung“ und Mitglied im Bundesvorstand der Linkspartei zum Panzergeschäft der Bundesregierung mit Saudi-Arabien
Was sagen Sie in Ihrer Funktion als Vorstandsmitglied der IMI und Mitglied im Vorstand der Linkspartei zu dem Panzergeschäft, das die Bundesregierung offensichtlich mit Saudi-Arabien durchgeführt hat?
Ich kenne Saudi-Arabien. Es handelt sich dabei wirklich um eine sehr repressive Monarchie, in der die Menschen, speziell die Frauen, unterdrückt werden. Das geht bis hin zu der Absurdität, dass Frauen nicht am Steuer von Autos fahren dürfen, sie dürfen viele Dinge des alltäglichen Lebens nicht, ohne dass sie die Zustimmung ihres Vaters, eines anderen männlichen Verwandten oder später des Ehemannes haben. Ich war selber vor Ort und konnte mir ein Bild vom Königshaus, der Regierung und dem sogenannten Parlament machen. Saudi-Arabien hat jetzt geholfen, die Aufstände in Bahrain niederzuschlagen. Im Jemen nimmt Saudi Arabien großen Einfluss. Saudi-Arabien ist ein geostrategischer Machtfaktor in der Region. Ich habe mich mit einem Vertreter der inoffiziellen Opposition getroffen, der auch in Haft gesessen hat. Er war auch durch die Haft gesundheitlich angeschlagen und hat meine Eindrücke bestätigt.
Die Bundesregierung geht problemlos über Leichen, so lange es in ihrem geostrategischen Interesse ist und dann werden auch Waffen geliefert an völlig repressive Staaten. Das zeigt, wie hier in der Bundesregierung getickt wird. Dass man einerseits so tut, als ob man den sogenannten „Arabischen Frühling“ unterstützt, andererseits zum Beispiel dem Regime in Saudi-Arabien die Repressionsinstrumente direkt zur Verfügung stellt. Aber nicht nur denen; auch mit Algerien, ist, wie ja unlängst bekannt geworden ist, ein Deal von 10 Milliarden Euro an Waffenlieferungen geplant. Auch in Algerien werden Aufstände unterdrückt. Militärs verschiedener arabischer Staaten werden bei der Bundeswehr ausgebildet, selbst Militärs aus dem Jemen. Das zeigt, die Bundesregierung hat hier in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen arabischen Regimen heftig die Finger mit drin, durch sogenannte Ausstattungs- und Ausbildungshilfe. Der Panzerdeal mit Saudi-Arabien ist im Grunde genommen nur die Spitze des Eisberges, der die Unerträglichkeit des Ganzen ganz offensichtlich zeigt.
Warum findet dieser Panzerdeal mit Saudi-Arabien gerade jetzt statt?
Es ist so, dass diese enge Zusammenarbeit im Grunde seit Jahren läuft und auch schon länger seitens Saudi-Arabien versucht wurde, Panzer in Deutschland zu kaufen. Über viele Regierungen hinweg wurde dieses Geschäft abgelehnt. Andere Rüstungslieferungen wurden aber gemacht! Diese Rüstungslieferungen spielen bei der Unterdrückung von –ich nenne es mal „sozialen Revolten“ – in diesen Ländern eine ziemlich wichtige Rolle. Außerdem ist Saudi-Arabien wie gesagt durchaus ein wichtiger geostrategischer Partner der Bundesrepublik und deshalb ist man bereit, diese Waffen zu liefern.
Betreffs der Entscheidungsfindung ist ja sehr bezeichnend, dass diese Waffenverkäufe nicht im Bundestag geregelt werden, sondern in dem geheimen Gremium Sicherheitsrat. Was meinen Sie dazu?
Das ist seit Jahren so. Das war unter Rot-Grün so. Das war unter Schwarz-Rot so. Das war davor so. Das ist eine Regelung, die unerträglich ist! Weil auf diese Weise natürlich keinerlei Transparenz da ist, wohin dieses Land Waffen liefert. Das ist so gewollt! Weil man so ohne demokratische und mediale Begleitung solche brutalen Waffenlieferungen wie jetzt durchführen kann. Es wäre seit langem richtig, dass diese Rüstungsexporte nicht nur im Nachhinein und völlig verklausuliert veröffentlicht werden. Sie müssten detailliert veröffentlicht werden. Gleichzeitig wäre es notwendig, dass solche Geschäfte öffentlich bekannt werden, denn, wenn das öffentlich bekannt wäre, würde eine ganze Reihe dieser Geschäfte nicht stattfinden. Aber gerade das wollen sie ja nicht! Deshalb findet das im Bundessicherheitsrat statt. Offensichtlich ist es so, dass der Panzerdeal mit Saudi-Arabien da durchgewunken wurde. Aber irgendjemand hat das wohl nicht gefallen und das ist der Grund dafür, dass das an die Öffentlichkeit geraten ist. Notwendig ist ein Stopp aller Rüstungsexporte und ein Verbot der Rüstungsproduktion.
Vielen Dank für das Gespräch.
Info:
Die „Informationsstelle Militarisierung“ liefert regelmäßig wichtige Berichte und Fakten über den weltweiten Waffenhandel, internationale Rüstungsmonopole und die Rüstungsbemühungen der Staaten weltweit. Sie ist im Internet unter www.imi-online.de vertreten.