Alles im Griff oder Scherbenhaufen des Krisenmanagements?
Stichworte wie „Euro-Krise“, „Rettungsschirm“, „Staatsbankrott“ und „Schuldenbremse“ begleiten die aktuellen Wirtschaftsnachrichten. Dabei hat doch die Regierung das Ende der Weltwirtschaftskrise verkündet …
Beim Ausbruch der tiefsten Weltwirtschafts- und Finanzkrise im Herbst 2008 mobilisierte das gemeinsame Krisenmanagement der G20 mit den „Rettungsschirmen“ Milliardensummen für Banken und Konzerne, die sich im Spekulationsfieber verzockt hatten. Ein noch tieferer Absturz der Weltwirtschaft konnte zumindest für einige Länder abgebremst werden. Aber wie eine Bugwelle schieben die Verantwortlichen in den Bank- und Börsenzentralen samt ihren politischen Handlangern in den Regierungen die finanziellen Lasten ihres Krisenmanagements vor sich her, ohne auch nur eines der strukturellen Probleme zu lösen.
Allgemeine Tendenz zum Staatsbankrott
Im Tiefpunkt der Weltwirtschafts- und Finanzkrise im Mai 2009 hatte die MLPD die Broschüre „Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen“ herausgegeben. Darin hatten wir die Prognose gestellt: „Das staatliche Krisenmanagement überträgt die allgemeine Krisenanfälligkeit der imperialistischen Weltwirtschaft auf die Staatshaushalte und erzeugt die chronische Gefahr eines allgemeinen Staatsbankrotts.“ (S. 32)
Glaubt man aber der Regierung, hat sie alles wieder in den Griff bekommen. Im Frühjahr lag der Export um 10,7 Prozent über dem bisherigen Höchststand vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2008, viele Betriebe melden Auftragseingänge. Dass sich aber die Regierung deshalb an einem XXL-Aufschwung berauschen konnte, zeigt nur ihre Kurzsichtigkeit. Erst wenige Länder erleben gegenwärtig eine deutliche Belebung, wie China, Indien oder Brasilien, und auch dort ist vieles auf „spekulativem Sand“ gebaut. Die Mehrheit der Industriestaaten dümpelt konjunkturell weiter dahin. Staaten wie Griechenland und Portugal, die zusätzlich von der Verschuldungskrise erschüttert werden, fallen sogar weiter zurück. Damit ist die exportabhängige deutsche Wirtschaft noch risikobehafteter.
Und neue Gewitterwolken ballen sich am Horizont. Die kommen vor allem vom Finanzsektor. Noch am Beginn der Weltwirtschaftskrise gelang es den führenden G20-Staaten, ein gemeinsames Krisenmanagement zu installieren, um den Zusammenbruch des gesamten Weltfinanzsystems zu verhindern. Von der Einigkeit ist immer weniger zu sehen.
Imperialistische Rivalität wächst
Rette sich, wer kann, im Gottvertrauen und wenn’s nicht anders geht, auf Kosten der anderen, wird zunehmend das Motto unter den führenden imperialistischen Ländern und internationalen Monopolen. Die Unterschiedlichkeit der Entwicklung zwischen einzelnen Staaten, Branchen und Übermonopolen prägt sich dabei immer mehr aus. Immer quälender gestalten sich internationale Konferenzen und Spitzengespräche. Obama und sein Finanzminister Geithner versuchen ihr Krisenmanagement dergestalt fortzusetzen, immer mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Der Schuldenstand der USA belastet heute jeden US-Bürger mit 32.400 Euro. Im Vergleich dazu kommt auf jeden Einwohner Griechenlands 29.200 Euro. Im Mai ist der Automarkt in den USA um 10,5 Prozent wieder eingebrochen. Und für das Jahr wird der US-Wirtschaft ein mäßiges Wachstum von 2,9 Prozent vorausgesagt. Auch China hat sich mit dem massiven Krisenprogramm eine schwere Hypothek aufgebürdet. Die Notenbank gibt die Staatsverschuldung mit 17,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an. Die realen öffentlichen Schulden – vor allem der Kommunen – liegen laut Experten bei 70 bis 80 Prozent, berichtet die „Frankfurter Allgemeine“ vom 21. 6. 11.
Im Unterschied zu China und den USA propagiert Angela Merkel die „Schuldenbremse.“ Kaum gesagt, muss sie sich gegen Protest in ihren eigenen Reihen für ein 110-Milliarden-Rettungspaket für Griechenland stark machen. Bröckelt die Einheit in der Eurozone, hätte das enorm negative Folgen für die deutsche Exportwirtschaft.
Krise des Krisenmanagements
Das internationale Krisenmanagement hat die Tendenz zur revolutionären Weltkrise zeitweilig unterdrücken, den Zusammenbruch des Weltfinanzsystems verhindern und einen noch tieferen Einbruch der Weltwirtschaft abwenden können. Der Preis dafür ist aber eine allgemeine Destabilisierung des Weltfinanzsystems. Das kann im Zusammenhang mit der gigantischen Aufblähung des spekulativen Kapitals selbst auf die Weltwirtschaft zurückwirken und sogar eine neue Weltwirtschaftskrise auslösen.
Was hatte nicht die Kanzlerin alles bei Ausbruch der Krise versprochen? Man werde die Banken zügeln und zähmen und die Krisenursachen beseitigen. Diese liege in der Raffgier der Manager. Keine Rechenschaft darüber, warum das alles nicht geklappt hat. Wie sollte sie auch wirksame Schlussfolgerungen ziehen können? Die gesetzmäßige Tendenz zu Überproduktionskrisen im Kapitalismus kann man durch noch so geschickte Maßnahmen nicht außer Kraft setzen, den Prozess von immer tieferen Krisen auch durch Besteuerung von Spekulationsgewinnen wie die Transfersteuern nicht umkehren.
Ausbaden sollen es die Massen: die Arbeiter in den Betrieben, die von der wirtschaftlichen Belebung nicht profitieren. Im Gegenteil: verschärfte Ausbeutung, erhöhter Stress, Einkommens- und auch immer wieder drohende Arbeitsplatzverluste sind Dauerthemen
in den Betrieben. Die Zahl der Armen wächst, obwohl die offiziellen Arbeitslosenzahlen enorm nach unten gehen.
Es gibt eine Alternative
Es ist berechtigt, sich Sorgen zu machen: um Erspartes, um die Rente, um den Arbeitsplatz. Aber es ist – besonders im Interesse der Jugend – nicht berechtigt, sich von diesen Sorgen lähmen zu lassen. Die Tendenz einer revolutionären Weltkrise hat sich durch die Krise des internationalen Krisenmanagements verschärft. Immer mehr Menschen auf der Welt erkennen: Der Kapitalismus kann den Arbeiterinnen und Arbeitern und den breiten Massen der Bevölkerung keine auch nur halbwegs gesicherte Zukunft bieten.
Aber es gibt Alternativen – die griechische Bevölkerung hat zu großen Teilen aufgehört, ihr Schicksal an die Sanierung des kapitalistischen Systems zu ketten. „Revolution ist nötig“, heißt es auf vielen Transparenten und die Kämpfe sind in eine revolutionäre Gärung übergegangen. Sich unvoreingenommen und ernsthaft mit der Perspektive der internationalen sozialistischen Revolution zu befassen – das ist der beste Sorgenbrecher.
Wolf-Dieter Rochlitz