Opel, VW … Auto-Belegschaften vor großen Umwälzungen
Am Mittwoch letzter Woche unterschrieb die Bochumer Werksleitung die Vereinbarung der „Einigungsstelle“.
Damit werden entgegen der in Deutschland noch vorwiegenden Krisendämpfungspolitik, mit der unter anderem offene Massenentlassungen vermieden werden sollten, in der Automobilindustrie erstmals wieder direkte betriebsbedingte Kündigungen geplant. Hintergrund sind unter anderem erhebliche Umwälzungen und der verschärfte Konkurrenzkampf in der gesamten Automobilbranche. International wird eine neue Welle der Umstrukturierung, der Übernahmen, Fusionen und Werksschließungen vorbereitet. Das betrifft früher oder später alle Auto-Belegschaften. Seit Jahren wird den Opel-Arbeitern der Verzicht auf Lohnbestandteile wie das Weihnachtsgeld abgepresst und die Ausbeutung drastisch gesteigert. Das war immer mit Versprechungen verbunden, dass es dann zu keinen betriebsbedingten Kündigungen käme. Jetzt wird die Belegschaft in Bochum offen erpresst, dass 600 Kolleginnen und Kollegen gekündigt werden, wenn sie nicht „freiwillig“ gehen. Der Weg der Betriebsratsspitze, die Erpressungsmanöver als angeblich „alternativloses“ kleineres Übel mitzutragen, ist damit gescheitert.
Bei der Betriebsversammlung in Bochum am Montag, den 6. Juni, sind hierzu wichtige Fronten klarer geworden: Die Taktik des Opel-Vorstands ist missglückt, der Konfrontation auszuweichen und die geplanten 600 betriebsbedingten Kündigungen als „freiwillig“ hinstellen. Auf der Grundlage der jahrelangen Kleinarbeit der MLPD, der Argumente der Kollegenzeitung „Der Blitz“ und anderer kämpferischer Kräfte hat sich in der Opel-Belegschaft eine Massenmeinung herausgebildet, sich diesen Angriff nicht bieten zu lassen. Es gab ein Pfeifkonzert für Vertreter der Geschäftsleitung und teilweise tosenden Applaus für die kämpferischen Redebeiträge.
Natürlich wirkt auch noch Demoralisierung und es gibt z. B. die Ansicht: „Du kannst eh nichts mehr machen“ oder „Die machen doch, was sie wollen“. Notgedrungen haben manche Kollegen dann doch die Abfindung genommen. Aber es wächst die Gruppe von Kollegen, die sagt: „Wir wissen nicht, wer betroffen ist und unmittelbar vor den Werksferien die Kündigungsbriefe im Kasten hat – auf alle Fälle müssen wir kämpfen.“ Darüber finden auch in den Familien der Opelaner viele Auseinandersetzungen statt.
Neues Verwirrmanöver um Opel-Verkauf?
Mitten in diese Auseinandersetzung platzte die Medienmeldung, dass GM nun doch den Opel-Konzern verkaufen will. Kaufinteressenten seien der chinesische Autobauer BAIC und der VW-Konzern. Opel-Sprecher Strake verbreitete ein windelweiches Dementi. Ein Opelaner aus Rüsselsheim meinte dazu vor dem Tor: „Die Amerikaner wollen mit solchen Gerüchten nur Druck auf uns ausüben.“
Tatsächlich versucht GM/Opel mit allen Mitteln, den Druck auf die Belegschaften zu erhöhen. Dennoch liegt es noch keineswegs auf der Hand, was wirklich dahinter steckt. Fakt ist auf jeden Fall:
• GM steht im internationalen Konkurrenzkampf gewaltig unter Druck. Nachdem der Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise überschritten ist, verschärft sich die Schlacht um die Beherrschung des Weltautomarktes. Im ersten Quartal 2011 verdrängte GM den Toyota-Konzern wieder von Platz 1. Der erneute Weg an die Weltspitze nach dem tiefen Kriseneinbruch im Jahre 2009 wurde auf dem Rücken der Arbeiter durchgesetzt. GM hat dafür in den USA 18 Werke dicht gemacht, die GM-Arbeiter arbeiten dort inzwischen für einen Lohn nur wenig über Sozialhilfeniveau. Allerdings will auch der VW-Konzern mit aggressiven Methoden spätestens bis 2018 die Nummer 1 weltweit werden und folgt GM und Toyota auf den Fersen.
• In dieser Situation ist es dem GM-Konzern umso mehr ein Dorn im Auge, dass er sich mit seinen Plänen in Europa bisher bei den Belegschaften einige Zähne ausgestoßen hat. Die Schließung des Werkes in Antwerpen konnte erst nach zahlreichen Streiks durchgesetzt werden. Verschiedene Erpressungsversuche z.B. bei der Senkung der Löhne unter Tarif scheiterten am Widerstand der Belegschaften. Die kämpferische Opel-Belegschaft in Bochum möchte der Vorstand am liebsten ganz loswerden. Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel hat vor der Erpressung des Opel-Konzerns kapituliert und die Ergebnisse der „Einigungsstelle“ unterschrieben.
Der Beauftragte der US-Regierung für GM, Steve Rattner, drohte nach der Betriebsversammlung in Bochum, dass die Konzernführung sich dies „nicht mehr lange ansehen“ werde. Und GM-Chef Dan Akerson wurde in den Medien mit der Aussage zitiert: „Ich bin ungeduldig“.
Vorgefecht für Entwicklung in gesamter Autoindustrie
Diese Auseinandersetzung bei Opel zeigt, auf was sich die Autobelegschaften insgesamt vorbereiten müssen. Auch in anderen Konzernen zeichnen sich weitgehende Umstrukturierungen ab.
• Bei Daimler in Sindelfingen soll die Produktion der C-Klasse in die USA verlagert werden. Dagegen richteten sich die selbständigen Streiks und Demonstrationen der Daimler-Kollegen im Dezember 2009. Gegen die den Sindelfinger Kollegen als „Zugeständnis“ angebotene Verlagerung der Produktion des SL aus Bremen nach Sindelfingen gab es ebenfalls mehrere Streiks und Demonstrationen im Bremer Daimler-Werk.
• Bosch als weltgrößter Autozulieferer will weltweit 18 Werke schließen und die Produktion insbesondere nach Asien verlagern.
• Bei VW in Wolfsburg hat Betriebsratschef Osterloh zwar mit starken Worten Protest gegen Verlagerungen eines Teiles der Golf- und der Tiguan-Produktion in die USA (Werk in Chattanooga) und nach Mexiko (Werk in Puebla) eingelegt. Im gleichen Satz bot er dem VW-Vorstand aber sein Co-Management an: „Wenn wir keinen gemeinsamen Weg finden, dann können Sie Ihre Pläne vergessen.“ („Wolfsburger Allgemeine“)
Hintergrund dieser Entwicklung ist eine wichtige Veränderung: Früher war für die Monopole die maximalprofitbringende Produktion oberste Maxime. Für die internationalen Übermonopole reicht das nicht mehr aus. „Für sie ist nur noch die Produktion interessant, die in ihrer Branche eine weltmarktbeherrschende Rolle spielen kann.“ („Götterdämmerung über der ,neuen Weltordnung‘“, S. 278)
Im Opel-Konzern bestehen die weitestgehenden Erfahrungen mit der Auseinandersetzung um solche Verlagerungspläne. Im Jahr 2004 hat die Opel-Belegschaft in Bochum durch einen selbständigen Streik die Stilllegung des Werkes verhindert. Er war unter anderem deshalb so wirkungsvoll, weil er von Hunderttausenden mit Protesten und Streiks an 13 Standorten unterstützt wurde.
Die Auto- und Autozulieferarbeiter müssen lernen, ihre Kämpfe international zu koordinieren und zunehmend zu revolutionieren. Dazu müssen sie gerade die Stärkung der ICOR („Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen“) als weltweiten Zusammenschluss der Revolutionäre zu ihrer Sache machen. In der ICOR-Gründungsresolution heißt es unter anderem: „Ihr Hauptanliegen ist die Koordination und Kooperation in der Organisierung des Klassenkampfs und der praktischen Solidarität.“
Bereits auf dem letzten Internationalen Automobilarbeiterratschlag in Hannover 2009 wurden internationale Solidaritätschartas der Konzern-Belegschaften beschlossen, in denen sie sich verpflichten, gegenseitig ihre Kämpfe zu unterstützen, keine Streikbrecherarbeiten zu leisten usw. Es wurden gemeinsame Forderungen aufgestellt. Der nächste Automobilarbeiterratschlag im Mai 2012 in München ist eine gute Gelegenheit, die dabei gemachten Erfahrungen auszutauschen und die Zusammenarbeit zu festigen, weiterzuentwickeln und zusätzliche Belegschaften einzubeziehen.
In dieser Situation gilt es, auch die Gewerkschaften zu Kampforganisationen zu machen. Auf die führenden IG-Metall-Größen kann man dabei nicht zählen. Die Kollegen an der gewerkschaftlichen Basis können und müssen entgegen der Klassenzusammenarbeitspolitik die Kampfkraft der in der IG Metall organisierten Arbeiter entfalten.
Immer mehr Kollegen wird in dieser Auseinandersetzung deutlich, wie eng die Machenschaften von GM und der anderen Automobilkonzerne mit der gesamten Entwicklung des Kapitalismus zusammenhängen. Die einzige Kraft, die in der Lage ist, einen solchen Kampf als Schule des Klassenkampfs zu führen und die Belegschaft dabei kompetent zu beraten, ist die MLPD. Umso wichtiger ist es, dass gerade jetzt eine intensive Auseinandersetzung mit noch vorhandenen antikommunistischen Vorbehalten geführt wird und diese überwunden werden.