Aufbruch der Gewerkschafts-Frauen

Die vielseitigen Aktivitäten zum diesjährigen 100. Jahrestag des 8. März übertrafen in ihrer Breite, Angriffslust und ihrem Einfallsreichtum die letzten Jahre.

In zahlreichen Betrieben und Gewerkschaftsversammlungen – nicht „nur“ bei Gewerkschaftsfrauentreffen – selbst in „männerdominierten“ Betrieben wie der Stahlindustrie – wurde der 8. März und der notwendige Kampf um die Befreiung der Frau thematisiert, Umfragen dazu erstellt und diskutiert. In Deutschland beteiligten sich insgesamt über 5.000 Frauen aus mehr als 60 Organisationen an gemeinsamen Aktionen auf der Straße.

Auch in gewerkschaftlichen Vorträgen wurde Clara Zetkin ausdrücklich als sozialistische Urheberin geehrt. Die gleichzeitig stattfindende Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Venezuela bestärkte den internationalen Blick auf die weltweite kämpferische Frauenbewegung. Am 8. März selbst wurden Nelken oder kleine Präsente in Betrieben verteilt. Liebevoll organisierte „Frauencafés“ und „Frauenfrühstücke“ oder sogar extra Veranstaltungen während der Arbeitszeit wie bei VW Mosel mit 300 Frauen würdigten den Internationalen Frauentag als Kampf- und Feiertag. Viele Frauen schöpften daraus Mut, den Mund aufzumachen gegen bestehende Gewohnheiten und die gesellschaftliche Ungleichheit und diskutierten, wie sie sich selbst verändern müssen.
Der aktuelle Streik der Charité-Kollegen in Berlin drückt ein gewachsenes Selbstbewusstsein und eine deutliche Politisierung der zu 70 Prozent beteiligten Frauen aus. Der Streik wuchs mit den Tagen an, entwickelte dabei demokratische Streikstrukturen mit Streikversammlungen und täglichen Demonstrationen, zum Teil mit Straßenblockaden. Er richtet sich gegen die Politik des SPD/Linkspartei-Senats und fordert ähnlich wie die Lokführer inbesondere auch einheitliche Tarifverträge.  

Bundesfrauenkonferenz von Ver.di: Breite Initiative bei den Anträgen
Die Vorbereitung der 3. Bundesfrauenkonferenz von Ver.di vom 13. bis 15. Mai in Fulda mit etwa 260 Delegierten spiegelt eine Aufbruchstimmung der Frauen in den Gewerkschaften wider.
Die rund 100 Anträge drücken eine große Schaffenskraft, Initiative und Kompetenz der Frauen aus, und vor allem den Willen, sich nicht mit bestehenden Benachteiligungen und der volksfeindlichen Regierungspolitik abzufinden. In den Anträgen stehen Forderungen gegen Niedriglöhne, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und für Arbeitszeitverkürzung im Vordergrund. Die Frauen fühlen sich auch für gesellschaftspolitische Fragen verantwortlich, wie für den Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan, für ein politisches Streikrecht oder die sofortige Stilllegung von AKWs.  

Situation der Frauen in den Betrieben verschlechtert
Nach wie vor liegt der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Frauen 23 Prozent unter dem der Männer und 30 Prozent der erwerbstätigen Frauen sind im Niedriglohnsektor mit durchschnittlichen Stundenlöhnen zwischen 5 und 6 Euro beschäftigt (aus dem Ver.di-Geschäftsbericht).
Das Schicksal vieler Nokia-Frauen aus Bochum ist sicher typisch: Nach der Schließung des Werkes wurden zum Teil Umschulungen unter anderem zur Altenpflegerin, Mikrotechnikerin oder in der Lagerlogistik angeboten. Jetzt stehen viele auf der Straße. Einige fangen  als Leiharbeiterinnen für 7,79 Euro Grundlohn bei Hella in Recklinghausen an – mit Drei-Monats-Verträgen.
Die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen ist eine Grundlage für ihr gewachsenes Selbstbewusstsein. Der Spagat, die zunehmende Wechselschicht, Wochenendarbeit und den Druck auf der Arbeit mit den familiären Verpflichtungen unter einen Hut zu kriegen, wird dabei aber immer schwieriger.
An diesem berechtigten Interesse setzen Gewerkschaftsführung wie Regierung mit ihrer Losung der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ an. Das ist aber im Kapitalismus eine Illusion. Es ist die bürgerliche Familienordnung, die den Frauen die Hauptverantwortung in der Haushaltsführung zuschreibt, den Familien immer mehr Aufgaben in der Kindererziehung und Pflege Angehöriger aufbürdet, während sie gleichzeitig die Frauen als „Zuverdienerin“ und geringer einsetzbar behandelt.

Debatte über gesellschaftliche Perspektiven fördern
Das Anliegen der proletarischen Frauenbewegung ist es, die gesellschaftlichen Ursachen der besonderen Benachteiligung von Frauen zu beseitigen. „Die Produktion und Reproduktion des menschlichen Lebens muss von ihrer Unterordnung unter das Profitsystem befreit werden. Die bisher privaten Einzelfamilien auferlegten Aufgaben müssen in gesellschaftlich organisierte Aufgaben umgewandelt werden, wodurch eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses zwischen Mann und Frau möglich wird.“ („Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“, S. 141)
Besonders in Ver.di spielt die Diskussion gesellschaftlicher Perspektiven eine große Rolle, was nicht zuletzt mit dem hohen Frauenanteil in der Mitgliedschaft zusammen hängt, der Ende 2010 auf 50,54 Prozent gestiegen ist. So endet der Artikel zum 1. Mai in „ver.di publik“ Nr. 04/2011 mit dem Satz: „Und eines Tages, wenn die Gewerkschaften und ihre Mitglieder ihre Ziele durchgesetzt haben, wenn es weltweit keine Ausbeutung von Menschen durch Menschen mehr gibt, eines Tages ist dann immer 1. Mai.“
Die Auseinandersetzung über gesellschaftliche Alternativen zum Kapitalismus müssen in allen Gewerkschaften zur Selbstverständlichkeit werden. Es ist deshalb zu begrüßen, dass Ver.di die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die MLPD und andere linke Organisationen bewusst ablehnt, während sie von der IG-Metall-Führung entgegen dem Auftrag des letzten Gewerkschaftstags noch verschärft werden.

IGM-Vorstand will  „Frauenressort“ abschaffen
Die Ver.di-Bundesfrauenkonferenz gibt mit ihren Anträgen  wichtige Impulse für den im Herbst stattfindenden Bundeskongress vom 17. bis 24. September in Leipzig. In der IG Metall fand die Bundesfrauenkonferenz schon im Februar statt. Traditionell hatte diese schon öfter mit bisherigen Tabus in der IG Metall gebrochen. So forderte sie im Jahr 1995 erstmalig in einem bundesweiten gewerkschaftlichen Gremium die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Auch im Antrag des Ortsfrauenausschusses Stuttgart zur Bundesfrauenkonferenz der IG Metall (S. 7) wird die 35-Stunden-Woche verteidigt und die Rücknahme von Arbeitszeitverlängerungen gefordert. Die fehlende Orientierung auf die Durchsetzung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zeigt jedoch eine mangelnde Konsequenz in der gewerkschaftlichen Frauenarbeit.
Nun soll als Teil des „Projektes 2009“, mit dem der IGM-Vorstand einen reaktionären Kurs der Gewerkschaften als Ordnungsfaktor bestärken will, die gewerkschaftliche Frauenarbeit mehr an die Kandare gelegt und geschwächt werden. Die Delegierten bei der Bundesfrauenkonferenz reagierten empört auf das Vorhaben des IGM-Vorstands, den Funktionsbereich Frauen mit anderen zusammenzulegen. In Zukunft soll Detlef Wetzel, der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, der neue Ansprechpartner für Frauenfragen im geschäftsführenden Vorstand sein. Zurückgewiesen wurden Vorschläge, in Zukunft weniger in den 8. März „zu investieren“.
Dies steht direkt auch dem Anliegen der „Dortmunder Erklärung“ entgegen, einer bundesweiten Plattform von Gewerkschaftern, die für starke und kämpferische Gewerkschaften eintreten. Diese fordert „die Förderung bzw. Wiederbelebung der gewerkschaftlichen Frauen- und Jugendarbeit“ und gehört weiter massenhaft verbreitet.   

Gewerkschaftliche Frauenarbeit nachhaltig stärken
Die MLPD gibt der gewerkschaftlichen Frauenarbeit einen großen Stellenwert: „Die Entwicklung einer kämpferischen gewerkschaftlichen Frauenarbeit ist ein wichtiger Gradmesser für die Reife der Arbeiterbewegung und dafür, wie es ihr gelingt, die Gewerkschaften zu Kampforganisationen für die Verteidigung und Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu machen.“ („Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“, S. 185)
Die notwendige Stärkung der gewerkschaftlichen Frauenarbeit betrifft die ganze tägliche Kleinarbeit, sowie besondere Organisationsformen, Anliegen, Bildungsarbeit. Die auf der Weltfrauenkonferenz vereinbarten gemeinsamen Kampf- und Aktionstage der kämpferischen Frauenbewegung am 8. März, 1. Mai und 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, müssen in den Gewerkschaften einen entsprechenden Stellenwert bekommen.
Die konsequenteste Schlussfolgerung im Anliegen, sich nicht mit der doppelten Ausbeutung und Unterdrückung der werktätigen Frauen abzufinden, ist die Entscheidung, sich für diesen Kampf in der MLPD oder dem REBELL zu organisieren.