Die „Ruhrkampfrevue“ kommt nach Stuttgart
Interview mit dem Regisseur Eberhard Boeck
Die „Ruhrkampfrevue“ wird am 17. und 18. Mai in den Stuttgarter „Wagenhallen“ aufgeführt. Die „Rote Fahne“ sprach im Vorfeld mit dem Regisseur des Stücks, Eberhard Boeck.
Die „Ruhrkampfrevue“ in Stuttgart? Was sagt oder kann das Stück dem Publikum in Stuttgart sagen?
Gegenfrage: Warum schauen wir uns in Stuttgart Berichte über die Kämpfe in den arabischen Ländern an oder über Fukoshima etc.? Weil es um Grundfragen der menschlichen Existenz geht! Auf einen Theaterbesuch angewendet: Warum schauen wir uns „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller an, auch wenn die Geschichte in Hessen/Kassel stattfindet und der Text über 200 Jahre alt ist, oder die Geschichte des dänischen Prinzen „Hamlet“ von Shakespeare? Weil es um Grundfragen der menschlichen Existenz geht!
Also: warum sollen sich Stuttgarter eine Geschichte aus dem „Ruhrgebiet“ anschauen? Die selbe Antwort! Und es handelt sich um ein hochdramatisches Geschehen, „nach einer wahren Geschichte“, wie es im Vorspann mancher Kinofilme heißt. Und diese „wahre Geschichte“ enthält ja auch regionale Bezüge: die Reichsregierung des SPD-Kanzlers Bauer und der Reichspräsident Friedrich Ebert mussten am 13. März 1920 über Dresden nach Stuttgart vor den Putschisten aus Berlin fliehen, im Kunstgebäude am Schlossplatz tagte die Nationalversammlung, in Untertürkheim versuchten am 19. März 1920 Arbeiter von Daimler süddeutsche Reichswehrtruppen und Studentenwehren aus Tübingen und Stuttgart an der Weiterfahrt ins Ruhrgebiet zu hindern, die dorthin beordert wurden, um die kämpfenden Arbeiter zusammenzuhauen.
Nein, wir wollen dem Publikum in Stuttgart nichts „sagen“, also im Sinne von belehren, wir wollen es auf unterhaltsame Weise erinnern an eine große Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Sie wird „nachgespielt“, und es wird gesungen von Leuten aus den verschiedenen Ruhrstädten, die sich da ihre eigene Geschichte erobern – und sie machen das sehr gut und berührend. Ich bin ziemlich stolz auf diese Truppe von „HorstsTHEATERmaschin’“ und die Arbeit mit ihr. Übrigens: Manchmal darf/kann auch gelacht werden. Und dies: Die Wagenhallen bieten ein wunderbares Ambiente für unser Breitwand-Theater!
Gerade junge Zuschauer, die vielleicht über die Geschichte noch gar nichts wissen?
Nicht nur der Jugend wird diese Geschichte der „Märzrevolution“ verschwiegen oder verdreht dargestellt. Beispiel: In einem Lehrbuch für Geschichte und Gemeinschaftskunde für berufliche Gymnasien („Geschichte und Geschehen“, Klett-Verlag, 2004) heißt es unter anderem – um die „Gefahr von links“ für die junge Weimarer Republik zu illustrieren – die KPD habe „eine Rote Ruhrarmee von etwa 50.000 Mann aufgebaut“ – Unsinn! Diese Armee wurde organisiert von Mitgliedern der verschiedenen Arbeiterorganisationen, auch viele Sozialdemokraten und unorganisierte Arbeiter, auch Arbeiterfrauen und vor allem Bergarbeiter. Und es waren überwiegend junge Leute, viele von ihnen hatten die Mordtage des I. Weltkrieges überlebt und dann die verratene Novemberrevolution.
Für die studentische Jugend dürfte von Interesse sein, dass auf der anderen Seite Studentenwehren aus dem ganzen Reich zu den schlimmsten Vollstreckern des „weißen Terrors“ gehörten, der dann in den ersten Apriltagen 1920 im Ruhrgebiet wütete – Standesdünkel und Antikommunismus!
Mit aller Vorsicht bietet sich hier der aktuelle Blick auf die Aufstandsbewegungen in den arabischen Ländern an, wo die Jugend einen großen Anteil hat im Kampf um bessere Lebensbedingungen. Schließlich auch hier der Hinweis: wir bieten lebendigen Geschichtsunterricht, spannendes Theater!