Teil 3 von 8
140 Jahre Pariser Kommune - Das bewaffnete Volk ergreift die Macht
Um Frankreich besetzt zu halten, verfolgte das neue deutsche Kaiserreich mit dem reaktionären Kanzler Bismarck an der Spitze die bewährte Methode „teile und herrsche“. Es drängte auf die schnelle Durchführung von Wahlen für die Nationalversammlung.
Es drängte auf die schnelle Durchführung von Wahlen für die Nationalversammlung. Das bevorteilte die organisierte und mit Geldmitteln ausgestattete französischen Reaktion. Zugleich verlangte die preußische Militärverwaltung mehr Autonomie für die Gemeinderäte (Kommunen) der großen Städte, um so einen gesamtnationalen Zusammenschluss in Frankreich gegen die Besatzerzu erschweren. Hinter den Kulissen kooperierte sie mit der „Regierung der nationalen Verteidigung“. Deren Repräsentanten mit Adolphe Thiers an der Spitze bezeichnete Marx als „Schuhputzer des alten bonapartistischen Regimes“. Sie schlossen mit Bismarck am 28. Januar 1871 einen Waffenstillstand.
Der garantierte die Sicherheit der korrupten Regierung. Der Preis für dieses Bündnis war:
- Annexion von Elsaß-Lothringen
- Zahlung von 5 Milliarden Goldfranken innerhalb von drei Jahren
- Besetzung der östlichen Gebiete Frankreichs als Pfand für die Abzahlung der Summe
- Verpflegung der deutschen Truppen auf Kosten Frankreichs.
In Paris ergab sich eine außergewöhnliche Konstellation der militärischen Kräfte:
Da war die Besatzung durch die deutschen Truppen um Paris und zum Teil bis in einzelne Vororte. Dann gab es das französische geschlagene nationales Heer, welches in Gefangenschaft geraten war, aber von Bismarck in dem Maße wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, in dem sich die „Regierung der nationalen Verteidigung“ unterwarf.
Zweierlei Armeen
In Paris selbst gab es zwei militärische Verbände: Die Heerestruppen, die sich innerhalb der Stadtmauern befanden. Sie betrugen rund 200.000 Soldaten.
Daneben gab es die Nationalgarde. Diese war eine Art Einwohnerwehr, welche in der französischen Revolution 1889 entstanden war. Sie war in den Stadtteilen in Bataillone gegliedert.
Die Führungen wurden gewählt und bildeten wiederum die Gesamtführung, die sich Zentralkomitee nannte. Das seit dem Anmarsch der preußischen Truppen verängstigte Bürgertum hatte diese Nationalgarde mobilisiert und es war bis Mitte 1871 von ursprünglich rund 20.000 auf 300.000 angewachsen. Die Mehrheit waren Arbeiter. Das spiegelte sich dann auch in der Zusammensetzung des Zentralkomitees wieder.
Das Signal vom 18. März
Am 18. März 1871 ereignete sich ein sonderbares Scharmützel auf dem Montmartre. Thiers ließ einen Trupp unter Führung zweier Generäle in Bewegung setzen. Sie sollten in einem nächtlichem Überfall die Kanonen der Nationalgarde entführen. Das Unterfangen scheiterte an der Wachsamkeit der Bevölkerung, die sich schützend vor die Kanonen stellte. General Lecomte befahl seinen Truppen, auf die Frauen und Kinder zu schießen. Diese weigerten sich und erschossen ihn selbst und auch den anderen General Clément Thomas.
Marx kommentierte den Vorgang wie folgt:
„Die eingewurzelten Gewohnheiten, die den Soldaten unter der Zucht der Feinde der Arbeiter beigebracht worden, verlieren sich selbstredend nicht in demselben Augenblick, wo diese Soldaten zu den Arbeitern übergehn.“
In den Annalen der bürgerlichen Geschichtsschreibung wurde der 18. März als Ausdruck der erbarmungslosen Unmenschlichkeit der Kommunarden dargestellt. Noch am selben Tag gab das Zentralkomitee der Pariser Stadtverwaltung (Commune) ein Manifest heraus, in dem es unter anderem hieß:
„Die Proletarier von Paris haben inmitten der Niederlagen und des Verrats der herrschenden Klassen, begriffen, daß die Stunde geschlagen hat, wo sie die Lage retten müssen, dadurch, daß sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eignen Hände nehmen … Sie haben begriffen, daß es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht ist, sich zu Herren ihrer eignen Geschicke zu machen und die Regierungsgewalt zu ergreifen.“
Die rote Fahne auf allen öffentlichen Gebäuden
Die „Regierung der nationalen Verteidigung“ machte sich samt ihrem Beamtentross aus dem Staub zur alten Residenz der französischen Könige nach Versailles. Rund 80.000 Schleppenträger des morschen Regimes verließen Hals über Kopf Paris. Die Nationalgarde besetzte Kasernen, Polizeibüros und öffentliche Gebäude und hisste auf allen die rote Fahne. Ein neuartiger Staat wurde in Paris aus der Taufe gehoben.
Karl Marx charakterisierte den 18. März:
„Die ruhmvolle Arbeiterrevolution des 18. März nahm unbestrittnen Besitz von Paris. Das Zentralkomitee war ihre provisorische Regierung … Paris, der Mittelpunkt und Sitz der alten Regierungsmacht und gleichzeitig der gesellschaftliche Schwerpunkt der französischen Arbeiterklasse, Paris hatte sich in Waffen erhoben gegen den Versuch des Thiers und seiner Krautjunker, diese ihnen vom Kaisertum überkommne alte Regierungsmacht wiederherzustellen und zu verewigen. Paris konnte nur Widerstand leisten, weil es infolge der Belagerung die Armee losgeworden war, an deren Stelle es eine hauptsächlich aus Arbeitern bestehende Nationalgarde gesetzt hatte. Diese Tatsache galt es jetzt in eine bleibende Einrichtung zu verwandeln. Das erste Dekret der Kommune war daher die Unterdrückung des stehenden Heeres und seine Ersetzung durch das bewaffnete Volk.“ (Marx, „Der Bürgerkrieg in Frankreich“)