Ein „Revolutionsführer“ mit engsten Beziehungen zur EU

Libyen ist das drittgrößte Land Afrikas und steht an 18. Stelle der größten Erdöllieferanten der Welt. Es verfügt über große Gasreserven. Internationale Konzerne, darunter auch BASF-Wintershall und RWE-Dea, sind an der Förderung von Gas und Öl in Libyen beteiligt, Bau- und Elektrokonzerne erhalten Riesenaufträge. Die Milliardeneinnahmen daraus kommen aber der Masse der 6,5 Millionen Einwohner des Landes kaum zugute. Die Mehrheit lebt von durchschnittlich zwei Dollar am Tag.

Zwar lässt sich Muammar Gaddafi als „Revolutionsführer“ bezeichnen, er kam jedoch als Offizier mit einem nationalistischen Putsch am 1. 9. 1969 an die Schalthebel der Macht. Sein Eintreten für die Schaffung einer einheitlichen arabischen Nation zielte vor allem auf eine regionale Vormachtstellung Libyens. In diesem Zusammenhang nahm er auch antiimperialistische Positionen ein, z. B. gegen die US-Aggression auf den Irak und gegen Israels Vertreibungspolitik der Palästinenser. Die USA haben das Land deswegen unter anderem 1986 mit Luftangriffen attackiert und auf die Liste der „Terror“-Staaten gesetzt. Der Ölreichtum wurde wohl zum Teil für den Aufbau eines kostenlosen Bildungs- und Gesundheitssystems genutzt, vor allem diente er dem Machterhalt und der Bereicherung des Herrscherclans.
Bis 1989 stand das Regime mit der sozialimperialistischen Sowjetunion im Bündnis. Seit 1999 kam es zur Annäherung an die USA und EU, was mit einem zunehmenden Einfluss der Konzerne aus diesen Ländern einher ging. Wichtigster Handelspartner Libyens ist heute Italien und ein besonderer Freund Gaddafis der italienische Ministerpräsident Berlusconi. Deutschland ist zweitwichtigster Handelspartner und auch zweitgrößter Abnehmer libyschen Öls. Seit 2006 das Rüstungsembargo gelockert wurde, haben die Lieferungen deutscher Rüstungsgüter stark zugenommen. Ihr Gesamtwert lag 2009 mit 53 Millionen Euro um mehr als das Zehnfache über den Ausfuhren vor 2006. Dazu gehörten Militärfahrzeuge, Kommunikationsausrüstung und Hubschrauber, also auch Gerät, das in den Militäreinsätzen gegen die protestierenden Massen zum Einsatz kommt.