Spekulanten treiben die Menschen in den Hunger!
Zwei Jahre nach den Hungeraufständen in elf Ländern kommt es erneut zu den ersten Aufständen in Tunesien, Algerien und Mosambik. Unmittelbarer Anlass sind Preisexplosionen bei Nahrungsmittel.
Das gilt für die Rohstoffpreise insgesamt: „Öl wird nach Schätzung der US-Großbank Goldman Sachs in diesem Jahr die Marke von 105 Dollar überspringen. Derzeit kostet ein Barrel 90 Dollar. Noch dramatischer ist der Preisanstieg bei begehrten Industriemetallen wie Kupfer. Vor zwei Jahren kostete eine Tonne rund 3.000 Dollar. Inzwischen sind es mehr als 9.000 Dollar. Weizen verteuerte sich innerhalb eines Jahres um 40 Prozent, Kaffee um 62 Prozent, Soja um 30 Prozent.“ („Handelsblatt“ vom 11. 1. 2011)
Der Food Price Index der Welternährungsorganisation FAO, der die Weltmarktpreise für Fleisch, Milch, Getreide, Ölsaaten und Zucker zusammenfasst, lag im Dezember 2010 auf dem höchsten Stand seit 2000 noch über dem Höchststand 2008.
Die Weltgetreideproduktion bewegt sich mehr oder weniger entlang dem Verbrauch mit jahresbedingten Schwankungen. So lag die Produktion in den Jahren 2002 bis 2004, 2006 bis 2007 und jetzt 2010 unter dem weltweiten Verbrauch, in den Jahren dazwischen lag sie darüber. (siehe Grafik)
Der gegenwärtige Rückgang vor allem bei Weizen wird verursacht durch Einbußen in den Regionen Russland, Ukraine, Kasachstan und auch Australien oder z. T. in der EU. Die Gründe liegen vor allem in der Dürre und den Bränden im letzten Herbst in Osteuropa.
Die Weltgetreidebestände lagen in den Jahren 2003 bis 2008 noch unterhalb von 500 Millionen Tonnen, am niedrigsten waren sie in den Jahren 2003/04, 2006/07 und 2007/08 mit 430 bis 440 Millionen Tonnen. Auch wenn es 2010 einen Rückgang in der Produktion gab, kann dieser nicht hauptsächlich ausschlaggebend sein für die Preiserhöhungen!
„Weizen macht Sie reich!“ so werben Finanzdienstleister in Internet um Anleger. Die „Futures“ (Käufe für zukünftige Ernten) an der Börse in Chicago für Weizen sind für die kommende Ernte bereits 40 Prozent höher im Preis als im vergleichbaren Vorjahr.
„Die gigantische Aufblähung der Spekulation hat spätestens mit der Neuorganisation der internationalen Produktion eine dominierende Rolle in der Weltwirtschaft eingenommen. Sie ist zu einem notwendigen, das heißt allgemeingültigen Bestandteil der Maximalprofit erheischenden Kapitalverwertung geworden.“ Das schrieb die MLPD in der aktuellen Broschüre „Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen“.
Mit den international koordinierten Krisenprogrammen wurde massenhaft billiges Geld in die Wirtschaft gepumpt. Da das Kapital nur zum geringen Teil maximalprofitbringende Verwertung in der Produktion sah, ging ein Großeil in die Spekulation. Eine Folge beschreibt das „Handelsblatt“ vom 11. 1. 2011: „Der steile Anstieg des wichtigsten Rohstoff-Sammelindexes CRB Ende 2009 folgte dem ersten großen Liquiditätsprogramm der Fed, sagt Julian Callow, Chefvolkswirt der britischen Bank Barclays. Mit dem zweiten Fed-Programm in Höhe von 600 Milliarden Dollar Ende 2010 stieg der Index dann auf einen neuen Rekordstand.“
Die Spekulation wird noch angeheizt durch die Auswirkungen der Klimaveränderung mit Dürren oder Überschwemmungen wie z. B. in Pakistan oder jetzt in Australien.
Mit der zunehmenden Erzeugung von sogenanntem „Bio“sprit in Form von Ethanol wurde eine besonders perfide Regelung eingeführt. Damit kann das Getreideangebot leicht verknappt werden. Je mehr der Ölpreis steigt umso interessanter wird es. Inzwischen werden weltweit 263 Millionen Tonnen Futtergetreide industriell genutzt, davon 144 Millionen Tonnen für die Ethanolherstellung. Der Rückgang der Weltgetreideernte lag demgegenüber bei rund 58 Millionen Tonnen Weizen und Futtergetreide!! Allein in den USA werden inzwischen etwa 120 Millionen Tonnen Mais zu „Bio“sprit gemacht. Mais, der durchaus nicht nur als Viehfutter fehlt, sondern auch in Mexiko schon zu Hungeraufständen geführt hatte.
Wie hatte vor einem Jahr die Riege der führenden Regierungschefs, von Obama bis Merkel getönt, sie werden den Spekulanten das Handwerk legen. Von wegen, das Gegenteil ist der Fall, weil die Spekulation gesetzmäßig die dominierende Rolle in der Ökonomie des Kapitalismus einnimmt. Die Tatsache, wie aus Hunger und Not Kapital geschlagen wird, zeigt die Menschenverachtung und Überlebtheit des Kapitalismus heute.
„Mit dem ungeheuren Fortschritt der Produktivität in der Landwirtschaft sind alle materiellen Voraussetzungen gereift, dass kein Mensch auf der Welt mehr hungern müsste. Um das zu verwirklichen, ist es allerdings notwendig, die Drangsalierung der Welt durch eine Handvoll internationaler Monopole zu beenden, das imperialistische Weltsystem zu überwinden und den Sozialismus zu erkämpfen.“ (Stefan Engel, „Götterdämmerung über der ,neuen Weltordnung‘“, S. 78/79).