Die Weltwirtschaftskrise vertieft sich
Eröffnungsbeitrag Wählerinitiative 23.1.09 von Klaus Dumberger, München
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde, liebe Genossen
ich freue mich, dass ich heute beim dritten Treffen der Wähler-Initiative den Eröffnungsbeitrag halten darf. Mein Beitrag beruht größtenteils auf Berichte im Nachrichtenportal der MLPD, rf-news, und der Wochenzeitung Rote Fahne. Ich stützte mich auch auf Gespräche mit Kollegen unter anderem am Werkstor.
Ich möchte vor allem zur begonnenen Weltwirtschaftskrise sprechen und dazu kurz aus dem zum Jahreswechsel erschienenen Interview mit dem Parteivorsitzenden Stefan Engel zitieren.
Noch lässt sich nicht absehen, wie schwerwiegend die Auswirkungen für die breiten Massen sein werden, die von der weltweiten Überproduktionskrise ausgelöst werden. In den wichtigsten imperialistischen Zentren ist zeitgleich ein absoluter Rückgang der Industrieproduktion festzustellen. In der "Eurozone" ging die Produktion im November um 7,7 Prozent zurück, der stärkste Einbruch seit Beginn der Aufzeichnungen 1990. In den USA beträgt der Rückgang 1,8 Prozent, die Produktion ist nur noch zu 73,8 Prozent ausgelastet. In Japan ist die Produktion nach minus 7 Prozent im Oktober im November um 17 Prozent regelrecht eingebrochen.
Trotz gegenteiliger Beteuerungen ist auch die Deutsche Bank in den Strudel der gigantischen Weltfinanzkrise geraten. Sie ist mit einer Bilanzsumme von rund zwei Billionen Euro Deutschlands größte Bank und hat über 80.000 Beschäftigte in 75 Ländern. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann musste für das vierte Quartal 2004 einen Verlust von 4,8 Milliarden Euro eingestehen. Der Aktienkurs stürzte von 117,5 Euro im Mai 2007 auf heute unter 20 Euro ab – und Ackermann als Chef meldete sich krank.
Mit der Übernahme der Postbank steigt das Staatsunternehmen Post mit 8 Prozent bei der Deutschen Bank ein. In den USA bürgt die Regierung für 118 Milliarden Kredite der größten Bank, der Bank of America, und schießt zusätzlich 20 Milliarden Dollar an Subventionen zu. Die Citigroup (unter anderem Citibank) soll komplett vom Staat übernommen werden. Aber selbst bürgerliche Finanzexperten zweifeln daran, dass die Milliardenspritzen die sprunghafte Vertiefung der Weltfinanzkrise verlangsamen können.
In Deutschland wird nach der Automobilindustrie, der Stahl- und Chemiebranche auch der Maschinen- und Anlagenbau zunehmend von der Krisenentwicklung ergriffen. In Maschinen- und Anlagenbau, mit 970.000 Beschäftigten größter deutschen Industriezweig, sind die Inlandsaufträge um 32 Prozent, die Exportaufträge um 29 Prozent zurückgegangen. Jedoch ist die Entwicklung stark unterschiedlich.
Bei Textil-, Bau- oder Druckmaschinen sind die Bestelleingänge um 50 Prozent zurückgegangen, bei Turbinen oder Anlagen zur Energiegewinnung existiert noch ein hoher Auftragsbestand. Die internationalen Monopole reagieren auf die Weltwirtschaftskrise mit Abwälzung der Krisenlasten auf die Belegschaften und die nichtmonopolisierte Industrie. Über 100.000 Leiharbeiter wurden seit Oktober entlassen, Kurzarbeit, Zwangsurlaub, Entlassungen und Lohnkürzungen stehen Hunderttausenden bevor.
Laut Bundesagentur für Arbeit gibt es für Januar deutschlandweit bereits Anträge auf Kurzarbeit für 400.000 Beschäftigte. Am Dienstag hat BMW die Einführung von Kurzarbeit für 26.000 Beschäftigte in den Werken Dingolfing, Regensburg, Landshut und Berlin angekündigt. Ziel sei es, „die notwendige Kostenreduktion bei gleichzeitiger Beschäftigungssicherung darzustellen.“ so BMW-Personalvorstand Harald Krüger.
Was von der sogenannten „Beschäftigungssicherung“ zu halten ist, zeigen die Massenentlassungen von Leiharbeitern, bereits 5.000 wurden von BMW rausgeworfen. Die Leih- und Zeitarbeit wurde gerade zu dem Zweck von der Schröder/Fischer-Regierung auf breiter Front erleichtert, damit die Industriebetriebe ohne viel Aufhebens massenhaft Leute entlassen zu können. Selbst bürgerliche Politiker nehmen ihr eigenes Getue von der angeblich wichtigsten Aufgabe der Sicherung von Arbeitsplätzen nicht ernst. So hält EU-Industriekommissar Günter Verheugen Werksschließungen in der europäischen Autoindustrie für "unumgänglich". Auf einem franzöischen Auto-Gipfel verk・dete er: "Einige Produktionsstandorte werden verschwinden." Nach seiner Einschäzung gebe es in der europäschen Autoindustrie ワberkapazitäten in Höe von 20 Prozent.
Die BMW-Geschäftsführung fürchtet offensichtlich den Protest der Kollegen und verspricht, „das Nettoeinkommen der Tarifmitarbeiter wird bei Kurzarbeit inklusive des Kurzarbeitergeldes mindestens 93 Prozent des üblichen Niveaus betragen.“ Es ist aus meiner Sicht abzulehnen, dass BMW mit dem Kurzarbeitergeld Zugriff auf Steuergelder bekommt. Warum sollen die Massen mit ihren Steuer-Euros dafür aufkommen, dass BMW die Arbeitszeit herunterfährt, ohne den Arbeitern und ihren Familien ausreichend Geld für deren Lebensunterhalt zuzugestehen?
Gleichzeitig zeigt dieser Vorgang auch, dass eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich keine illusionäre Vorstellung ist, wie uns Marxisten-Leninisten so oft vorgeworfen wird. Aber das muss auf Kosten von BMW und den anderen Monopolen gehen. BMW hat die letzten Jahre mit Rekordgewinnen zwischen 3,5 und 4 Milliarden Euro geprahlt. Allein das entspricht mindestens 35.000 Euro pro Jahr für jeden der rund 100.000 Beschäftigten bei BMW.
Die Arbeiterklasse muss in dieser Situation gerade auch an die Jugend denken! Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich würde Entlassungen verhindern und Neueinstellungen nötig machen. Welcher Betrieb stellt denn heute Auszubildende ein oder übernimmt sie nach der Lehre, wenn die Belegschaften sich dem Diktat der „notwendigen Kostenreduktion“ unterordnen? So hat der BMW-Vorstand ja schon angekündigt, jährlich etwa 1.500 Stellen durch „natürliche Fluktuation“ abzubauen.
Und sie werden noch viel weiter gehen.
Bei vielen mittelständischen Zulieferbetrieben drücken die Monopole der Autoindustrie die Preise. VW zum Beispiel hat mit vielen Betrieben Knebelverträge, nach denen jedes Jahr die Preise um 5 Prozent gesenkt werden müssen. Gleichzeitig versuchen internationale Monopole wie die MAN AG, durch Konzentration und Übernahmen ihre Position in der weltweiten Vernichtungsschlacht zu stärken. Zum Jahreswechsel erhöhte MAN den Aktienanteil am Konkurrenten Scania auf 20 Prozent und übernahm die VW-Nutzfahrzeuge in Lateinamerika für 1,2 Milliarden Euro.
In vielen Belegschaften, in der Jugend-, Volks- und Frauenbewegung, unter Rentnern, Hartz-IV-Betroffenen und in der Montagsdemo-Bewegung findet jetzt eine wichtige Auseinandersetzung statt. Soll man sich durch vage Hoffnungen beschwichtigen lassen, oder den Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten organisieren? Statt Kurzarbeit und Zwangsurlaub gehört in den Betrieben die Auseinandersetzung für den Kampf um die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich auf die Tagesordnung gesetzt.
Die MLPD tritt in ihrem 15-Punkte-Programm für eine Wende in der Steuerpolitik durch Senkung der Massensteuern und Abschaffung aller indirekten Steuern und f・ eine drastische progressive Besteuerung der Großbetriebe und Großverdiener ein. Die Sozialversicherungsbeiträe sollen durch eine umsatzabhägige Sozialsteuer der Unternehmen zu 100 Prozent finanziert werden. Dadurch werden die Werktäigen und Kleinbetriebe entlastet, wärend das Konjunkturpaket II der Bundesregierung vor allem den Reichen und internationalen Konzernen zugute kommt.
Es ist reine Beschwichtigung, wenn jetzt einige bürgerliche Wirtschaftsforscher einen Aufschwung für das zweite Halbjahr 2009 vorhersagen. Diese Prognose ist genauso viel Wert wie die vom angeblich langanhaltenden Aufschwung bis 2015, die noch im Sommer 2008 zu hören war. Aktuell bastelt die Regierung im verbund mit den Monopolvertretern an einer sogenannten „Bad Bank“, bei der alle wertlose gewordenen Kredite und Aktien wie auf einer Mülldeponie gesammelt werden sollen. Die Regierung kauft das aus Steuermitteln zu einem fiktiven Preis weit über den heutigen Wert auf, und schiebt den Finanzmonopolen damit Milliarden zu. Bei allen deutschen Banken zusammen werden die faulen Kredite auf eine Billion Euro geschätzt.
Solche absurd anmutenden Finanztransaktionen lassen aber unsere Herrschenden nicht etwa vor Scham über das vollständige Versagen des Kapitalismus in den Boden versinken – Nein, im Gegenteil! Wer es auch nur wagt, den Kapitalismus nicht nur ein bisschen hie und da sondern grundsätzlich zu kritisieren und den Sozialismus aus Ausweg zu fordern, der kann sich auf einiges gefasst machen! Davon braucht uns aber nicht Angst und Bange zu sein! In dieser jetzigen Situation ist die Polarisierung, die Zuspitzung genau richtig! Die Menschen müssen auch deutlich erkennen, wer auf der Seite des Kampfs und der Sorgen und Anliegen der kleinen Leute steht und sich für eine Zukunft ohne Ausbeutung und Unterdrückung einsetzt – und wer nur so tut.
Der Kapitalismus muss gesetzmäßig in Überproduktionskrisen münden, aber nicht der Sozialismus! Das ist der wichtigste Unterschied! Aus den Fehlern im sozialistischen Aufbau zu lernen, wie sie in einer künftigen sozialistischen Gesellschaft und bereits heute im Parteiaufbau der MLPD verhindert werden können, darüber wollen wir uns in diesem Jahr besonders intensiv mit den Menschen auseinandersetzen.
Vielen Dank!